High Ground – Der Kopfgeldjäger erzählt vor dem Hintergrund des kolonialen Krieges in Australien die Geschichte einer Annäherung, die sich ausgerechnet während einer Menschenjagd entwickelt. Ob der Film ebenso emotional wie spannend zu unterhalten weiß, erfahrt ihr hier!
High Ground – Der Kopfgeldjäger
Scharfschütze und Kriegsheld Travis (Simon Baker) führt 1919 im Norden Australiens als Ordnungshüter einen Einsatz in einem Dorf der Aborigines. Die Situation gerät außer Kontrolle, und er kann nicht verhindern, dass seine Männer ein Massaker unter dem dort ansässigen Stamm anrichten. Als der Vorfall vertuscht wird, zieht sich Travis desillusioniert zurück. Doch 12 Jahre später wird er von seinem damaligen Kommandanten Moran (Jack Thompson) zurückbeordert. Der Aboriginal-Krieger Baywara zieht mit seinen Gefolgsleuten marodierend durch das Land und bedroht damit den fragilen Frieden zwischen den Siedlern und den Ureinwohnern. Travis rekrutiert ausgerechnet den jungen Gutjuk (Jacob Junior Nayinggul), den einzigen Überlebenden des Massakers von vor 12 Jahren. Zusammen wollen sie den Onkel des Unruhestifters aufsuchen, um diesen mit seiner Hilfe zur Strecke zu bringen…
Australiens schweres Erbe
Die Aufarbeitung der eigenen Kolonial-Vergangenheit und dem dadurch schwierigen Verhältnis mit den Aborigines ist ein wiederkehrendes, wenn auch nicht sehr populäres Thema in der australischen Filmlandschaft. Schon in den 70er-Jahren, damals steckte die Filmindustrie des Kontinents noch in den Kinderschuhen, erschienen mit Nicolas Roegs Debüt Walkabout (1971) und Peter Weirs mystischem Die letzte Flut (1977) eindrucksvolle Filme dazu. Allerdings betrachteten diese das Problem aus einer eher neuzeitlichen Perspektive.
Die Geschichte von Manganinnie (1980), der auf Tasmanien spielt, geht bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, als die britische Armee dort ihre Ansprüche als Kolonialmacht im sogenannten Black War mit Militärgewalt durchsetzten. Und der Aussie-Western Quigley der Australier (1990) betrachtet das Schicksal der Aborigines durch die Augen eines amerikanischen Fährtenlesers und Scharfschützen, der Ende des 19. Jahrhunderts einem lukrativen Angebot nach Down Under folgt, um dort für einen Großgrundbesitzer Dingos zu schießen. Dies stellt sich dann doch als ein Aphorismus für die Kopfjagd auf Aborigines heraus.
Wollte man High Ground (2020) jetzt grob dort einsortieren, könnte man ihn als Mischung aus den beiden letzteren beschreiben. Protagonist ist wiederum ein Scharfschütze, der allerdings im Gegensatz zu Matthew Quigley als Mitglied der australischen Armee schon einen großen Krieg durchlebt hat und auch die Verhältnisse vor Ort aus eigener, traumatischer Erfahrung kennt. Außerdem ist er als Soldat bis zu einem gewissen Grad den Interessen seiner Regierung und damit der Siedler verpflichtet.
Ein brutaler Einstieg lenkt den Fokus geschickt auf die Protagonisten …
Schon zu Beginn, wenn wir Zeuge des brutalen Massakers werden, wird klar, dass Travis niemand ist, der gefühllos handelt und blind gehorcht. Er tötet sogar einen der eigenen Männer, als dieser gerade einer fliehenden Frau in den Rücken geschossen hatte. In die Ereignisse, die sich nun 12 Jahre später zutragen, lässt er sich nur widerwillig hineinziehen. Er behält jedoch auch hier seinen moralischen Kompass immer im Auge.
Die Wahl des jungen Gutjuk als Gehilfe, der ihm zugleich als Führer und Dolmetscher dient, schließt schon hier wieder den Kreis zum Massaker. Denn nicht nur stellt der junge Mann den einzigen Überlebenden der Dorfgemeinschaft dar, der Film steigt mit den ersten Lektionen des Jungen bei der Jagd mit seinem Vater in die Handlung ein. Kurz darauf ist er ein Waise und wird von Travis in die Obhut einer weißen Krankenschwester übergeben. Gutjuk fungiert im übertragenen wie auch direkten Sinne fortan als das Bindeglied zwischen den Kulturen.
… während das Marketing falsche Hoffnungen weckt
Zwar versprechen die Covergestaltung und der deutsche Beititel von High Ground – Der Kopfgeldjäger ein actionreiches Abenteuer. Auch die Inhaltsangabe des Verleihs befeuert noch diese Erwartungen. Doch sieht der Film seinen Fokus im Folgenden eher woanders. Zwar bietet die Jagd auf den aufständischen Baywara und seine Marodeure ein gewisses Maß an Action und Spannung, legt aber mehr Wert die Inszenierung auf die Handlungen, die sich am Rande davon abspielen. Denn hier treffen sich Abgesandte der Stämme und die militärischen Vertreter der Regierung aufeinander, um Wege zu finden, einen dauerhaften Frieden zu wahren.
Demgemäß nehmen Gespräche und Zeremonien mehr Platz ein als vordergründige Szenen der Jagd und der gewalttätigen Konfrontation. Vor allem aber gibt es keinen, wie auf dem Rücken der Hülle angedeuteten, Konflikt zwischen Travis und Gutjuk. Den beiden droht von anderer Seite Ungemach, denn ein alter Kamerad des Scharfschützen wähnt noch eine Rechnung zu begleichen, weil sein damaliger Führungsoffizier sich vor 12 Jahren gegen die eigenen Leute wandte.
High Ground im Zwiespalt seiner Ambitionen
Regisseur Stephen Johnson nahm sich 20 Jahre Zeit für die Vorbereitung seines zweiten Spielfilms. Er korrespondierte in dieser Zeit ausführlich mit Historikern und Künstlern aus dem Kreis der indigenen Ureinwohner, die auch stark in den Dreh des Films involviert waren und vor und hinter der Kamera mannigfaltig repräsentiert werden. High Ground offenbart dementsprechend viel Feingefühl, wenn es um die Darstellung der indigenen Bevölkerung zu jener Zeit und auch ihre Auseinandersetzungen mit den weißen Siedlern geht.
Doch diese hoch gesteckten Ambitionen, geschichtliche Genauigkeit, kulturelles Verständnis und eine spannende Geschichte unter einen Hut zu bringen, erweisen sich bisweilen als Fallstrick für die Dramaturgie. Dabei funktionieren die einzelnen Szenen für sich genommen gut, doch scheinen die beiden Handlungsstränge die ganze Zeit über nur nebeneinanderher zu laufen. Man erkennt zwar Parallelen darin, wenn Kommandant Moran an einer Stelle mit Aborigine-Stammesführern spricht, während an der anderen den beiden Jägern mehr Gefahr von ehemaligen Soldaten als von marodierenden Stammeskriegern droht. Doch eine Wechselbeziehung zwischen den beiden Vorgängen bleibt aus, was die Geschichte dann unweigerlich immer wieder ausbremst.
Technisch gibt es dagegen nichts zu bemängeln – Johnson weiß das mitunter auch mal blutige Treiben mit atemberaubenden Naturaufnahmen gut zu kontrastieren, während er in den ruhigeren Passagen die Intimität durch nahe Einstellungen und räumlich klar begrenzte Szenerien wahrt. Der Film ist bildlich wirklich eine wahre Pracht. Dazu gesellt sich die hervorragende Leistung eigentlich aller Darsteller, wobei gerade Simon Baker (The Mentalist, Land of the Dead) mit seinem zerrissenen Charakter enorm zu beeindrucken weiß. An seiner Seite zeigt auch der junge Jacob Junior Nayinggul großes Talent.
Unser Fazit zu High Ground – Der Kopfgeldjäger
Wer also ein actionreiches Abenteuer im australischen Outback erwartet, könnte hier ein wenig enttäuscht werden. Stephen Johnson geht es mit High Ground – Der Kopfgeldjäger nicht um vordergründige Spannungserzeugung mittels einer, wie fälschlich angedeuteten, Umkehr der Prämisse von Jäger und Gejagtem. Vielmehr erzählt er eine Geschichte von Annäherung durch Vergebung und Verständnis, die mit viel Feingefühl und akribischer Recherche versucht, eine unrühmliche Epoche der noch jungen australischen Historie abzubilden und aufzuarbeiten. Das ist eindrucksvoll gespielt und bebildert, schafft es aber eben nicht durchgängig zu überzeugen. Dafür läuft die Dramaturgie eben nicht rund genug. Das soll aber nicht heißen, dass der Film es nicht wert wäre, einen Blick zu riskieren. Fans von Australien als Land und Kontinent oder von Simon Baker werden dies sicherlich nicht bereuen.
Blu-ray und DVD von Kochfilms sind am 10. Dezember 2020 im Handel erschienen!
Unsere Wertung:
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