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Batman kämpft gegen zwei böse Handlanger - Jesus Shows You the Way to the Highway

Jesus Shows You the Way to the Highway

Jesus Shows You the Way to the Highway von Miguel Llansó verspricht kreatives Independent-Kino aus Afrika zwischen Cyber-Thriller und groteskem Noir-Krimi. Ob das überzeugend gelungen ist, erfahrt ihr hier!

JESUS SHOWS YOU THE WAY TO THE HIGHWAY | Trailer deutsch german [HD]

TitelJesus Shows You the Way to the Highway
Jahr2019
LandEstland, Großbritannien, Lettland, Rumänien, Spanien, Äthiopien
RegieMiguel Llansó
DrehbuchMiguel Llansó
GenreKrimi, Komödie, Sci-Fi, Thriller
DarstellerDaniel Tadesse, Augstín Mateo, Guillermo Llansó, Solomon Tashe, Gerda-Annette Allikas, Lauri Lagle, Carlo Pironti
Länge83 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihRapid Eye Movies
Ein Mann im alten Batman-Kostüm, eingekesselt von zwei riesigen Insektenmänner prangen auf dem grünen Cover von Jesus Shows You the Way to the Highway
Schon das grüne Cover verspricht einen wilden Film © Rapid Eye Movies

Jesus Shows You the Way to the Highway – Handlung

Die CIA-Agenten Gagano (Daniel Tadesse) und Palmer Eldritch (Augustín Mateo) werden von ihrem Kommandanten Captain Lagucci (Rene Köster) in die virtuellen Realität des Psychobook geschickt, das die Geschicke einer futuristischen Metropole kontrolliert. Denn das fiese Virus „Sowjetunion“ versucht, hier einzudringen und die Metropole unter seine Kontrolle zu bringen. Für Gagano soll es der letzte Auftrag sein, will er doch mit seiner Freundin Malin (Gerda-Annette Allikas) eine Kampfsportschule eröffnen. Doch Stalin (Guillermo Llansó), der das Virus kontrolliert, entpuppt sich als mächtiger als gedacht und unterwandert sämtliche Schutzvorkehrungen der Agenten.

Zu allem Überfluss spielt Eldritch falsch und hintergeht seinen Partner. Gagano kommt mit der Substanz in Berührung, einer Droge der Cyberwelt, die von Stalin in Umlauf gebracht wurde. Darauf fällt sein Körper in ein Koma, und er bleibt in der virtuellen Welt gefangen. Der immer stärker werdende Stalin schickt eine Kopie von ihm nach Äthiopien zu König Batfro (Solomon Tashe) und Herrn Raffiniert (Carlo Pironti). Sie sollen hier dem standhaften Agenten den Code zur Kontrolle über Psychobook entlocken. Von den Einwohnern wird Gagano für den Prinzen und Befreier des Landes gehalten, weswegen Batfro ihn für einen heimlichen Verbündeten von Priester Reverend Roy (Guillermo Llansó) und seinem Drogen-Kukt hält. Damit rückt eine Flucht aus der Cyber-Welt für den Gefangenen in weite Ferne…

Ein Mann im Batman-Kostüm fletzt sich im Liegestuhl am Pool seiner Villa - Jesus Shows You the Way to the Highway
Jesus kommt später, erstmal ist Batm…, äh, Batfro angesagt © Rapid Eye Movies

Ein äthiopischer Cyber-Thriller im retro-futuristischen Look

Der Film des Spaniers Miguel Llansó ist ein wilder Ritt durch die allmächtige Infosphäre, ein anachronistischer Spaß, ein genauso grotesker wie doppelbödiger Cyber-Thriller. Jesus Shows You the Way to the Highway entstand hauptsächlich in Äthiopien als eine äthiopisch-spanisch-rumänisch-estländisch-litauische Koproduktion. Da das Budget sehr begrenzt war, musste der Regisseur einen kreativen Weg wählen, um seine abgedrehte Dystopie zum Leben zu erwecken. Das Ergebnis ist retro-futuristisch dominierter Afrofuturismus.

Schon die Title Card des Films ist an alte Computerspiele der 8-Bit-Ära angelehnt, wo Spiele noch von Disketten oder Kassetten geladen werden mussten. Dementsprechend bekommen wir hier einen typischen Ladebildschirm samt eines in 8-Bit erstellten Titelbilds geboten. Unterlegt wird dies vom passenden Chiptune, also Musik in einer Art, wie sie früher direkt über den Soundchip der alten Rechner programmiert wurde. Diese wurde über eine Abfolge von verschiedenen Tonfrequenzen erzeugt, was einen sehr charakteristischen Klang der verschiedenen Instrumente zur Folge hatte.

Die Schaltzentrale des Psychobook, das die namenlose Metropole der Zukunft verwaltet, stellt sich als Ansammlung alter Computer und Monitore dar. Der Eintritt in die Sphäre des Programms erfolgt über VR-Brillen einer frühen Generation, während die Agenten auf Liegestühlen Platz nehmen. Die virtuelle Welt des Programms ist eine düstere Industrieanlage mit verwinkelten Gängen, die Figuren darin tragen Masken mit Gesichtern und sind in Stop-Motion animiert. Dagegen begegnet uns das virtuelle Äthiopien darauf wieder relativ normal und realistisch. Jedenfalls solange, bis wir Präsident Batfro treffen, der ein Batman-Kostüm trägt. Die durchgehende Verzerrung des Batman-Symbols ist dabei einer der wenigen digitalen Effekte im Film. Zur Kommunikation mit der echten Welt aus dem Cyberspace heraus nutzt man ein Hologramm, wobei das entsprechende Programm als eine Art Butler dargestellt wird.

Eine überzeugende Welt von atmosphärischer Dichte

Das Faszinierende an diesen zusammengewürfelten Design-Elementen ist, dass sie tatsächlich ein durchaus überzeugendes Ganzes abgeben. Miguel Llansó hat es geschafft, dass man sich in seine bizarre Welt von Jesus Shows You the Way to the Highway hineindenken kann. Alles ist alt, häufig auch beschädigt und dreckig. Die Art des virtuellen Zugangs zur Welt im Computer erinnert unweigerlich an Filme wie Der Rasenmäher-Mann (1992), eXistenZ (1999) und natürlich Matrix (1999). Alle diese Filme gehen in der Vorstellung des Cyberspace, also das, was wir heute Internet nennen, auf William Gibsons Neuromancer zurück. Dessen Idee eines virtuellen Ortes als Lagerraum für Daten als eigene Welt, die man als entkörperlichte Person quasi betreten kann, gilt ja schon lange als überholt, bzw. als durch die Realität widerlegt. Dies nennt man Retro-Futurismus. Und wenn es dann zur Darstellung von Action kommt, finden wir uns, den Effekten nach, scheinbar in einem Videospiel wieder.

Anstatt eines ästhetischen Kuddelmuddels sorgt das Zusammenspiel dieser Elemente für eine dichte Atmosphäre. Einen Anteil daran hat auch die Musik, die, je nach Design-Element, entweder den schon erwähnten Chiptune, klassischen Free Jazz oder düstere Jazz-Kompositionen mit Quetsch- und Blasinstrumenten bietet. Des Weiteren tragen auch das bewusst als überholte Zukunftsvision ausgewiesene Setting und die Andeutung eines Drogentrips durch die von Gagano berührte Substanz zusammen mit der virtuellen Realität als Handlungsort zur Akzeptanz dieser stilistischen Entscheidungen bei. Jesus Shows You the Way to the Highway lässt sich dabei auf zwei Arten konsumieren: Zum einen kann man komplett abschalten, um die Musik, die Bilder und die abgedrehte Geschichte einfach 80 Minuten auf sich wirken lassen; zum anderen lässt er sich auch hervorragend als filmisches Puzzle verstehen, das sich zu entwirren wirklich lohnt.

Zwei Männer mit Gesichtsmasken hocken im Bad - Jesus Shows You the Way to the Highway
Zwei Agenten bei der Schädlingsbekämpfung © Rapid Eye Movies

Ein Füllhorn an Querverweisen…

Die Geschichte, die sich hier entspinnt, erscheint zuerst reichlich grotesk. Dabei bildet sie aber auch eine große Spielwiese für Llansó, um sie als Projektionsfläche für vielfältige Themen zu nutzen, die mal mehr, mal weniger ineinandergreifen und reichlich Raum für Interpretation bieten. Neben schon bereits genannten Filmen und dem Bezug zu den Computer- und Videospielen der 8-Bit-Ära standen natürlich noch weitere Titel Pate. Genauso werden popkulturelle Phänomene aufgegriffen, die, in Verbindung gesetzt, verschiedene Aussagen zulassen.

Eine relativ deutliche Referenz stellt schon der Name von Gaganos Partner, nämlich Palmer Eldritch dar. Das bringt uns auf direktem Wege zu Philip K. Dick und seinem 1965 erschienenen Roman Die drei Stigmata des Palmer Eldritch. Dieser wird im Film von Stalin erpresst, Drogen zu verkaufen, was abgewandelt dem Buch entlehnt ist. Auch auf das Spiel zwischen Halluzination und Wirklichkeit, der einen Teil des Buchs und auch Dicks Werk an sich ausmacht, geht der Film zu einem späteren Zeitpunkt ein. Da kommt ein weiterer Drogenkonsument namens Masceroni ins Spiel, der unter einem Jesus-Komplex leidet.

Das Motiv des Exils, in das Gagano geschickt wird, öffnet Tür und Tor für weitere Anspielungen. Nach der Idee des Cyberspace als virtuellen Raum reist der Protagonist hier vom Psychobook nach Äthiopien. Das erinnert u.a. an den europäischen SF-Film Nirvana – Die Zukunft ist ein Spiel (1997), in der die Reise zwischen entfernten Orten mit einer Bahn bewerkstelligt wird, oder natürlich wiederum an den Klassiker Matrix, wo der Held allerlei Abkürzungen und Schleichwege durch die Rechnerwelt findet. Im Cyberspace scheint die Welt wirklich ein Dorf zu sein. Gehen wir jetzt noch ein Stück zurück zum Anfang der Geschichte von Jesus Shows You the Way to the Highway, dann könnte man mutmaßen, dass die Metropole, die vom Psychobook überwacht wird und die wir nie zu sehen bekommen, in Wirklichkeit auch nur virtuell existiert.

…und Subtext

Vielleicht ist mit der Metropole im übertragenen Sinne ja sogar der Kontinent Afrika gemeint? Die Mächte, die sich hier bekriegen, sind natürlich nicht zufällig gewählt. Über die ganze Dauer des Kalten Krieges wurde zwischen dem Westen und dem Osten auch um Afrika und seine Rohstoffe gestritten. Beide Seiten unterstützten jeweils andere Staaten und Gruppierungen, bewaffneten Rebellen und zettelten unzählige Kriege an. Der Kontinent und seine Bevölkerung waren schon immer Spielball von außenstehenden Mächten, die ihnen in den seltensten Fällen etwas Gutes wollten. Da passt es natürlich, dass auch der Virus im Psychobook mehrere Masken besitzt, darunter auch die von George Bush. Und mit der erteilt er dem Kommandanten der beiden Agenten, Captain Lagucci, Befehle. Das Psychobook erinnert vom Namen auch nicht von ungefähr an Facebook, jener Social Media Seite, auf der sich die halbe Welt, und mit ihr unzählige Manipulatoren, tummelt.

Agent Gagano, ein kleinwüchsiger Afrikaner, wird zur Spielfigur fremder Interessen und von außen manipuliert. Dabei will er eigentlich nur mit seiner Freundin Malin, die, weiß und füllig, optisch so ziemlich das krasse Gegenteil von ihm darstellt, ein einfaches, beschauliches Leben führen. Lustigerweise ist seine einzige Kraft in den Niederungen des Cyberspace die Unsterblichkeit. Er, als Befehlsempfänger und Mitglied der Arbeiterklasse, genauso als Individuum an sich, ist genau der Baustein, ohne den das ganze Konstrukt nicht funktionieren kann. Der Computer braucht seinen User, das Cyberspace braucht die Leute, die darin eintauchen. Und auch der Strippenzieher im Hintergrund, das Virus, braucht etwas und jemanden, den es manipulieren kann.

Der kleinwüchsige Daniel Tadesse verzieht sein Gesicht vor Schmerz und reckt sich das Kreuz, vor ihm sehen wir die Beine einer großen und fülligen weißen Frau - Jesus Shows You the Way to the Highway
Agent Gagano hat an seiner Beziehung schwer zu heben © Rapid Eye Movies

Ein Spanier dreht afrikanische SF

Der Spanier Miguel Llansó hat seine Karriere als Regisseur 2010 in Äthiopien gestartet. Sein kreativer Stil erinnert ein wenig an die japanischen Cyberpunk-Regisseure Sogo Ishii (Electric Dragon 80.000 Volt) und Shin’ya Tsukamoto (Tetsuo – The Iron Man), auch wenn er etwas weniger industriell geprägt wirkt. Mit Hauptdarsteller Daniel Tadesse arbeitete er das erste Mal bei Chigger Ale (2013) zusammen, wo dieser einen Hitler-Klon spielt. Der Kurzfilm ist auch auf der Blu-ray von Rapid Eye Movies enthalten. Tadesse spielte auch die Hauptrolle in Llansós ersten Spielfilm Crumbs (2015), der auf verschiedenen Film-Festivals sehr wohlwollend aufgenommen und mehrmals ausgezeichnet wurde. Der afrofuturistische Sci-Fi-Film handelt von einem Mann, der einen Weg sucht, auf ein Raumschiff zu kommen, das über Äthiopien schwebt und starke magnetische Impulse aussendet. Der Film ist leider noch nicht in Deutschland erhältlich.

Der Proof of Concept Trailer für Jesus Shows You the Way to the Highway, der auch auf der Disc enthalten ist, enthält noch längere Passagen und mehr Action im Psychobook. Im fertigen Film fallen die entsprechenden Szenen vergleichsweise kurz aus. Gedreht wurde der Film tatsächlich in allen an der Produktion beteiligten Ländern, u.a. in einer ehemaligen KGB-Zentrale in Tallinn, Estland. Neben dem Kurzfilm, dem Proof of Concept und dem obligatorischen Film-Trailer sind noch ein kurzes Making-of und zwei Interviews enthalten. Außerdem schrieb Regisseur Llansó einen ebenso interessanten wie humorvollen Text für das beiliegende 16-seitige Booklet.

Unser Fazit zu Jesus Shows You the Way to the Highway

Man muss schon offen sein für den etwas anderen Filmgenuss. Denn dem durchschnittlichen Mainstream-Gucker wird Jesus Shows You the Way to the Highway definitiv zu billig, zu schräg und zu anstrengend sein. Wer auf kreative Filme mit surrealem Einschlag steht, ist hier aber genau richtig. Sei es, um sich von dem andersartigen, aber kurzweiligen Filmgenuss berieseln zu lassen, oder auch, um sich an den vielen Referenzen zu erfreuen – wer offen ist für alternatives Kino, wird hier seine Freude dran haben. Der Film gibt definitiv mehr her als nur „Matrix on Acid“, wie das Cover verheißt.

Die Blu-ray ist gut umgesetzt und voll gepackt mit Extras. Die niedrig budgetierte Produktion kann in Bild und Ton natürlich nicht mit Blockbustern mithalten, einige Unsauberkeiten des Transfers halte ich sogar für gewollt. Etwas seltsam mutet die deutsche Sprachfassung an, die als Voice Over angelegt wurde. In der Eigentümlichkeit der Umsetzung ist es sicherlich recht passend, aber eigentlich nicht mehr als ein Gimmick. Für die Erstsichtung rate ich in jedem Fall den O-Ton an.

Der Film ist am 12. März 2021 als Blu-ray im Digipak erschienen!

Unsere Wertung:

 

 

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© Rapid Eye Movies

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