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Beitragsbild Loro - Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM

Loro – Die Verführten

Nachdem er in Il Divo – Der Göttliche versuchte, sich dem Politiker Giulio Andreotti zu nähern, nimmt sich Meisterregisseur Paolo Sorrentino in Loro – Die Verführten nun den streitbaren Populisten und Milliardär Silvio Berlusconi vor. Ob dabei mehr als nur Bunga-Bunga herumkommt, lest ihr in unserer Besprechung.

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TitelLoro – Die Verführten
Jahr2018
ProduktionslandItalien, Frankreich
RegiePaolo Sorrentino
DrehbuchPaolo Sorrentino, Umberto Contarello
GenreBiografie, Drama, Komödie
DarstellerToni Servillo, Elena Sofia Ricci, Riccardo Scamarcio, Kasia Smutniak, Euredice Axen, Fabrizi Bentivoglio, Alice Pagani
Länge152 Minuten
FSKab 12 Jahren freigegeben
VerleihUniversum Film, DCM
BD Loro - Die Verführten © dcm
Blu-ray Cover von Loro – Die Verführten © dcm

Ein kurze Einführung

Eigentlich als Zweiteiler konzipiert, wurde Paolo Sorrentinos (The Young Pope) neuester Streich für die internationale Auswertung auf einen zweieinhalbstündigen Kinofilm zusammengestutzt. Was genau alles weichen musste, lässt sich schwerlich sagen. Bei einem Umfang von fast einer Stunde fehlenden Materials dürfte es nicht gerade wenig gewesen sein. Ob die Originalfassung nun der bessere Film ist, kann ich so natürlich nicht beurteilen. Doch dass es der vorliegenden Kinofassung sicherlich geschadet hat, da kann wohl, angesichts des Ergebnisses, durchaus von ausgehen. Worauf ich meine diesbezüglichen Vermutungen stütze, dazu später mehr. Schauen wir erst einmal, wer diese Menschen sind, diese Loro – Die Verführten.

„Alles dokumentiert. Alles willkürlich“ – Giorgio Manganelli

Loro – Die Verführten des Silvio B.

Der Geschäftsmann Sergio Morra (Riccardo Scamarcio, Welcome Home) und seine Freundin Tamara (Euridice Axen) betreiben einen Escort Service, haben aber höhere Ziele. Morra will in die Politik und an die öffentlichen Fördertöpfe. Um einen Regierungsauftrag zu bekommen, besticht er den Vorsitzenden der Vergabe-Kommission. Er lädt ihn an Bord seiner kleinen Yacht und bringt ihn dort mit einer jungen Frau zusammen. Sein Ziel ist es, in den erlauchten Kreis um „ihn“, den Dunstkreis des ehemaligen Premierministers Silvio Berlusconi (Toni Servillo), vorzudringen.

Kira (Kasia Smutniak), eine Gespielin des einflussreichen Politikers und Unternehmers rät ihm, die Villa gegenüber der seinigen anzumieten und durch schöne, junge Frauen und wilde Partys auf sich aufmerksam zu machen. Die ungezügelten Gelage bleiben tatsächlich nicht unbemerkt. Doch zuerst ist es Berlusconis Parteikollege Santino Reccia (Fabrizio Bentivoglio), der an Morra herantritt. Als dieser Tamara zum Sex nötigt, hat das Paar ihn in der Hand und der Weg zu Berlusconi scheint frei.

Screenshot 01 zu Loro - Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM
Riccardo Scamarcio will hoch hinaus in Loro – Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM

Als Reccia den Premierminister a.D. um Hilfe bittet, lässt der ihn eiskalt auflaufen. Denn „er“ hängt zwar gerade ein wenig durch, da die Forza Italia nicht an der Regierung ist. Auch geschäftlich hat er nichts zu tun, seit seine Kinder das Familienunternehmen übernommen haben. Und da seine Frau Veronica (Elena Sofia Ricci) ihm zudem die kalte Schulter zeigt, plant er seine triumphale Rückkehr in die Politik. Nachdem er sich selbst davon überzeugt hat, noch nicht zum alten Eisen zu zählen, indem er einer willkürlich ausgewählten, fremden alten Frau am Telefon ein fiktives Bauprojekt aufschwatzt, fühlt er sich fit, wieder ins Spiel der Macht einzusteigen. Er beauftragt Morra damit, eine Party für ihn zu organisieren. Die Luxus-Zuhälter scheint dort angekommen, wofür er lange Zeit und Geld investiert hat…

Der streitbare Ritter

Silvio Berlusconi ist sicherlich eine der schillerndsten Persönlichkeiten der italienischen Politik. Der inzwischen 82-jährige „Cavaliere“ (=Ritter), so sein Spitzname, hatte es als Immobilienspekulant und Bauunternehmer zu einem Milliardenvermögen gebracht. Durch den Kauf verschiedener Verlagshäuser und Fernsehsender schwang er sich zum Medienmogul auf und nutzte seinen dadurch erlangten Einfluss, um auch in der Politik mit seiner Partei Forza Italia durchzustarten. Der Rechtspopulist war zwischen 1994-2011 viermal italienischer Ministerpräsident, gilt als Stehauf-Männchen, das sich nach einer Vielzahl von Affären und Skandalen immer wieder an die Spitze boxen konnte. Seine Art der Politik wird Berlusconismus, eine Spielart des modernen italienischen Populismus, genannt. Er hat sich unlängst zum Spitzenkandidaten der Forza Italia für die Europawahlen Ende Mai 2019 küren lassen.

Screenshot 03 Loro - Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM
Toni Servillo als Silvio Berlusconi in Loro – Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM

Der Lebemann und sein Hofstaat

Ähnlich seiner Polit-Satire Il Divo – Der Göttliche (2008), in der er einen anderen ebenso einflussreichen wie umstrittenen Politiker, nämlich Giulio Andreotti, porträtierte, legt er sein Hauptaugenmerk auf einige wenige Jahre zum Ende seiner politischen Erfolgsgeschichte. Waren es dort die Jahre 1991-95, in denen eine beispiellose Abfolge von Strafprozessen gegen Andreotti ihren Anfang nahm, spielt Loro – Die Verführten in der Zeitspanne von 2006-09, in denen es Berlusconi ein letztes Mal gelingt, das Amt des Ministerpräsidenten einzunehmen. Beide Männer werden übrigens von Toni Servillo verkörpert. Vergleicht man beide Filme Sorrentinos, was sich natürlich anbietet, so fällt auf, dass „Il Cavaliere“ mehr als Lebemann, denn als ein Machtmensch wie „Il Divo“ Andreotti, charakterisiert wird. Geht es in dem einen mehr um die Politik, dreht es sich in dem anderen hauptsächlich um die Gesellschaft, mit der sich der Milliardär umgibt.

Screenshot 02 zu Loro - Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM
Toni Servillo unterhält seine Gäste in Loro – Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM

Denn der Filmemacher nähert sich dem Menschen Berlusconi vornehmlich durch die Menschen in seinem Umfeld („Loro“ = „Sie“). Es dauert geschlagene 40 Minuten, bevor die Hauptfigur uns überhaupt die Ehre erweist. Bis dahin wohnen wir die meiste Zeit den von Morra inszenierten Drogen- und Sexexzessen bei, was nicht von ungefähr an Martin Scorseses gefeierte High-Finance-Satire The Wolf of Wall Street erinnert. Doch lässt der Regisseur hier den Biss vermissen, der eben diesen auszeichnet. Der Film verliert sich gerne in Oberflächlichkeit, zeigt eine schöne Fassade. Nur selten taucht er tiefer in seine Figur ein. Wenn z.B. die junge Stella (Alice Pagani) ihn abweist, weil er riecht wie ihr Vater, wie ein alter Mann, oder der Milliardär am Telefon einer völlig fremden alten Frau ein fiktives Immobilienprojekt verkauft, um sich selbst zu beweisen, bekommen wir einen Eindruck davon, wie es in diesem Mann aussieht.

Eine betörend schöne Fassade

Zumindest ist die aufgebaute Fassade, die gewiss auch einen Teil der Figur ausmacht, von makelloser Schönheit. Paolo Sorrentino beweist wieder einmal, dass er zu den neuen Kinomagiern gehört, und zaubert mit seinem Kameramann Luigi Bigazzi betörend schöne Bilder auf den Screen. Selbst offensichtliche Animationen, wie der symbolische Tod eines Schäfchens zu Beginn, das in Berlusconis unterkühlter Villa erfriert, fügen sich gut in das Gesamtbild ein. Dazu präsentiert sich eine Riege aus wunderschönen, jungen Frauen, denen die mächtigen Männer der Wirtschaft und Politik, zu denen der junge, athletische Morra auch gehören will, hinterher geifern. Es ist eine Welt jenseits der bürgerlichen, wo das Leben eine fortwährende Party scheint, während man nebenher Millionen verdient. Auch Musik spielt dabei eine gewichtige Rolle, mehrere Songs werden sogar komplett ausgespielt.

Screenshot 04 Loro - Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM
Alice Pagani als Unschuld in Loro – Die Verführten © 2018 Gianni-Fiorito DCM

Insgesamt gesehen ist der Film, aus der Sicht eines Nicht-Italieners jedenfalls, viel zu nett. Das mag daran liegen, dass zum einen die italienische Öffentlichkeit Leuten wie Berlusconi schnell ihre Verfehlungen verzieht. Zum anderen spart sich der Film, genauer die Kinofassung, fast jedweden Skandal aus. Selbst die „Bunga-Bunga Affäre“ wird nur mal am Rande erwähnt. Dazu bleibt die Politik dieses Mannes, mal abgesehen davon, dass er Gegner gern mal als Kommunisten beschimpft, fast gänzlich außen vor. In den Augen des gemeinen Mitteleuropäers gibt es nicht viel Liebenswürdiges an diesem Mann. Da zählt eine Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten sogar noch zu den harmlosesten Sachen. Korruption, Mafia-Verflechtungen und eine Politik, die in seinen letzten Amtsperioden vor allem darauf abzielte, nicht ins Gefängnis zu müssen, sind die Sachen, die mir persönlich aus den Nachrichten hängengeblieben sind. Dagegen erscheint der, zugegebenermaßen brillante, Toni Servillo in dieser Rolle geradezu niedlich.

Mein Fazit zu Loro – Die Verführten

Letzten Endes ist es ein Film, der durchaus zu unterhalten weiß und auf technischer Ebene famos aufspielt. Rein formell ist das, was Sorrentino abgeliefert hat, wieder ganz großes Kino. Inhaltlich bleibt das Ganze dagegen eher flach und an der glänzenden Oberfläche kleben. Denn die Figur, die man hier aus Berlusconi formt, scheint verharmlosend oder zumindest entschuldigend. Die Kürzungen tragen sicherlich dazu bei, gerade weil die politische Ebene hier nur angeschnitten wird. Auch dramaturgisch sind Auswirkungen spürbar, wenn Personen plötzlich aus dem Nichts auftauchen, um die Handlung voranzutreiben, und dann einfach wieder verschwinden. Diese internationale Fassung will zu sehr gefallen und geht dabei Kontroversen teils großräumig aus dem Weg. Als fiktives Werk, das auf realen Personen und Ereignissen basiert, kann Loro –Die Verführten durchaus unterhalten. Langweilig wird der Film beileibe nicht. Doch die hochgesteckten Erwartungen an einen weiteren Geniestreich des italienischen Oscar-Gewinners von 2014 werden hier nicht erfüllt.

Loro – Die Verführten ist seit dem 29. März 2019 im Vertrieb von Universum Film auf Blu-ray & DVD erhältlich!

Unsere Wertung:

 

 

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