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Yukio Mishima mit traditioneller Stirnbinde

Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Es gibt zwar mehr Autoren als Sand am Meer, doch nur wenige von ihnen genießen den Status einer Legende. Dem Schriftsteller Hiraoka Kimitake ist dieser Sprung gelungen und in Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln begleiten wir seinen surrealen Weg dort hin. Wer den 1985 erschienen Klassiker von Paul Schrader bisher noch nicht gesehen hat, kriegt nun ab dem 28. November 2019 in ausgewählten Kinos nochmal die Chance, dies nachzuholen.

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TitelMishima – Ein Leben in vier Kapiteln (OT: Mishima – A Life in Four Chapters)
Jahr1985
LandUSA, Japan
RegiePaul Schrader
DrehbuchPaul Schrader, Leonard Schrader
GenreBiografie, Drama
DarstellerKen Ogata, Masayuki Shionoya, Hiroshi Mikam
Länge120 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihRapid Eye Movies
Alternatives Plakat von Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln
Alternatives Plakat von Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln © Rapid Eye Movies

Darum geht es in Mishima – Ein Leben in Vier Kapiteln

Yukio Mishima ist der Name des vermutlich bekanntesten japanischen Schriftstellers (gebürtig: Hiraoka Kimitake). Allerdings wäre es nicht fair, nur von einem Schriftsteller zu sprechen, denn Mishima war ebenfalls Poet, Regisseur und ein politischer Aktivist mit einer eigenen Privatarmee. Das Biopic behandelt den wichtigsten Tag in seinem Leben. Es ist der 25.11.1970. Der Tag, an dem er einen Putschversuch gegen die japanischen Streitkräfte angeführt und somit endgültige Berühmtheit erlangt hat. Dieser Tag ist aber nur einer von vier Lebensabschnitten, in denen der Zuschauer einen Einblick erlangt. Von seiner Jugend bis hin zu seinem Seppuku. Parallel dazu sehen wir verkürzte Verfilmungen seiner Bücher, die immer eine Brücke zu Mishimas Leben schlagen. Beim Drehbuch wurde Paul Schrader von seinem Bruder unterstützt.

Yukio Mishima – Die perfekte Paul Schrader Figur

Paul Schrader ist vor allem für seine Arbeit als Drehbuchautor bekannt. Sein bekanntestes Schaffen dürfte wohl Martin Scorseses Taxi Driver sein. Doch sollte dies nicht seine letzte Zusammenarbeit mit dem Meisterregisseur sein. Auch Wie ein wilder Stier oder aber auch Die letzte Versuchung Christi entsprangen Schraders Feder. Doch der Drehbuchautor saß bereits einige Male selber auf dem Regiestuhl. Sein letzter Film First Reformed wurde zuletzt von Kritikern gefeiert. Allerdings bezeichnet er Mishima weiterhin als seine beste Regiearbeit. Wenn man sich Schraders Werke ansieht, erkennt man seinen Fable für gebrochene, tragische Figuren, die im Laufe der Handlung ihrem Wahn verfallen. Yukio Mishima ist daher der perfekte Schrader-Protagonist. Er ist die Art Figur, die sich Schrader am liebsten ausgedacht hätte, wenn es sie denn nicht schon wirklich gegeben hätte.

Was macht ihn also zu so einer Figur? Misihima ist ein Opfer seiner eigenen Ideologie, ein Opfer seiner Weltansicht, ein Opfer seiner eigenen Romantik. Als Kind hat es Mishima schwer. Er litt stark unter seinem schlechten Aussehen und so verfiel der Schriftsteller der eigenen Eitelkeit. Die wahre Tragik seines Charakters zeichnet sich hingegen erst später im Leben aus, Die wahre Tragik seines Charakters zeichnet sich hingegen erst später im Leben aus, wenn sich Mishima immer mehr den alten Traditionen zuwendet. Er verehrt die Samurai-Kultur und möchte das Bild der „Männlichkeit“ wahren. Als die linken Studentenbewegungen in Japan stärker werden, radikalisiert sich der Traditionalist. Mit seiner Privatarmee möchte er seine Werte nicht nur schützen, sondern auch einen Putschversuch unternehmen. Danach möchte er sich durch Seppukku selbst hinrichten… Sein Ziel: Die Wiedereinführung des Kaisers. Verblendet von seiner eigenen Romantik, sieht er selbst in seinem Tod eine künstlerische Katharsis.

Mishima hält in vor den Soldaten Japans eine Rede
Yukio Mishima hält vor den Soldaten Japans eine Rede © Rapid Eye Movies

Schönheit, Kunst & Tat

Wie bereits erwähnt, teilt sich die Handlung in vier Kapitel auf, die die Überschriften „Schönheit“, „Kunst“, „Tat“ und „Harmonie von Feder und Schwert“ tragen. Die ersten drei Kapitel handeln von Rückblenden und der parallelen literarischen Geschichte. Dadurch, dass die einzelnen Kapitel unter verschiedenen Leitmotiven gegliedert sind, ergibt sich eine rhythmische Struktur, die Einblicke in das Leben von Yukio Mishima gewährt. „Schönheit“ handelt von seiner kränklichen Jugend und parallel von seiner Geschichte „Der Tempelbrand“. Das ist das zähste Kapitel, das aber ein wichtiges Verständnis für Mishimas Entwicklung liefert. Mit „Kunst“ wird der Aspekt der Schönheit um Mishimas Eitelkeit erweitert. Wieder greifen Fiktion und Realität perfekt ineinander.

Die letzte Rückblende, die „Tat“, handelt von der „Geschichte unter dem Sturmgott“. Sie dient gewissermaßen als Vorausahnung für das Finale des Films und vollendet seinen Charakteraufbau bis hin zum Putschversuch. Jedes dieser Kapitel ist wie ein Baustein und erst zusammen bilden sie das Fundament für das letzte Kapitel auf. Das ist nicht nur wahnsinnig intelligent geschrieben, sondern bringt auch seine inszenatorischen Kniffe mit. Damit man nicht die Orientierung zwischen Zeit, Rückblende, Realität und Fiktion verliert, sind die einzelnen Bestandteile durch ihre eigene Farbgebung gekennzeichnet.

Yukio Mishima mit traditioneller Stirnbinde in "Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln"
Yukio Mishima mit traditioneller Stirnbinde in © Rapid Eye Movies

Paul Schraders Magnum Opus

Auch wenn der Film vor allem durch sein genial strukturiertes Drehbuch überzeugt, ist auch die Inszenierung mehr als durchdacht. Besonders die Rückblenden sind fast schon mit Poesie gleichzusetzen. Schrader erschafft Bilder, die perfekt durch John Baileys Kameraarbeit eingefangen werden. Das Szenenbild setzt bewusst auf ein künstliches, surreales Aussehen. Es erinnert stellenweise stark an Akira Kurosawas Träume. Der restliche Teil ist logischerweise weniger verspielt. Langweilig ist es dadurch aber trotzdem nicht. Durch die musikalische Untermalung wird der Effekt der Poesie sogar noch verstärkt, ohne zu aufdringlich zu sein. Alles harmoniert perfekt miteinander und ebenso,wie bei der Story entsteht so ein ganz besonderer Rhythmus, der den Zuschauer fesselt. Der Stil dient aber nicht nur dem Selbstzweck, sondern spiegelt das Wesen Mishimas wider, der selber nach einer Romantisierung seiner Existenz strebt.

In einem Ausschnitt aus dem dritten Kapitel stehen zwei Reihen junger Männer vor einem Mann in Uniform, im Hintergrund ein Wolkenhimmel
Ausschnitt aus dem dritten Kapitel  © Rapid Eye Movies

Ein Magnet für Meisterregisseure

Bevor sich Schrader die Rechte für das Biopic erkämpft hatte, zog Mishimas Lebensgeschichte auch zahlreiche andere große Regisseure an. Unter anderem planten Akira Kurosawa oder Roman Polanski einen Film über den japanischen Schriftsteller. Obwohl Mishimas Witwe die Verfilmung anfangs verweigert hatte, konnte Schrader seine Produktion fortsetzen. Allerdings sah er sich viel Gegenwind ausgesetzt, da einige Traditionalisten ablehnten, dass ein ausländisches Team die Geschichte Mishimas verfilmt. Zudem wurde stark kritisiert, dass der Film die Homosexualität Mishimas nicht thematisiert. Nachdem man das fertige Endprodukt gesehen hat, kann man auch verstehen, weswegen Schrader diesen Aspekt weggelassen hat. Auch wenn es dem Leben Mishimas noch um eine interessante Facette bereichert hätte, würde so wohl der Fokus auf das Wesentliche verloren gehen. Das sahen zum Glück auch Francis Ford Coppola und Geroge Lucas genauso, die den Film als ausführende Produzenten unterstützen.

Paul Schrader (Mitte) gemeinsam mit Francis Ford Coppola (Links) und George Lucas (Rechts)
Paul Schrader (Mitte) gemeinsam mit Francis Ford Coppola (Links) und George Lucas (Rechts) © Rapid Eye Movies

Mein Fazit zu Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Schraders Film nimmt die faszinierende Lebensgeschichte Mishimas und verwandelt sie in ein Kunstwerk. Dieses Kunstwerk lädt zur Interpretation ein, lässt dem Zuschauer seine eigene Meinung über das Gesehene ziehen und wird ganz sicher nicht jedem zusagen. In meinen Augen ist das Biopic zweifelsohne Paul Schraders Magnum Opus. Das gilt sowohl für das Drehbuch als auch für seine Leistung auf dem Regiestuhl. Mit wunderschönen Farben, einem künstlerischen Szenenbild und einem atmosphärischen Soundtrack, ist es als würde man ein Gemälde betrachten, dessen Komposition sich rhythmisch verändert. Dies dient jedoch nicht nur dem Selbstzweck, sondern untermalt die komplexe Erzählstruktur und vor allem Yukio Mishimas geistliches Wesen. Die vier Kapitel liefern uns nicht nur einen Einblick in sein Leben, sondern auch ein Einblick in seinen Geist. Wir sehen die Welt mit seinen Augen, die uns zu einem Finale führen, bei dem einem die Spucke wegbleibt.

Unsere Wertung:

 

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