Skandalfilm, Klassiker, Wegbereiter des Slasherfilms? Peeping Tom – Augen der Angst hat einiges zu bieten und mit der neuen 4K-Restaurierung ist die Wiederentdeckung des Films lohnenswerter denn je.
Titel | Peeping Tom (dt. Titel nach Release: Augen der Angst) |
Jahr | 1960 |
Land | Großbritannien |
Regie | Michael Powell |
Drehbuch | Leo Marks |
Genre | Drama, Horror, Thriller |
Darsteller | Karlheinz Böhm, Moira Shearer, Anna Massey, Maxine Audley |
Länge | 101 Minuten |
FSK | ab 12 Jahren freigegeben |
Verleih | Studiocanal |
Die Handlung von Peeping Tom – Augen der Angst
Mark Lewis ist ein unscheinbarer Junggeselle, der hauptberuflich als Kameramann in einem Studio arbeitet. Nebenbei lichtet er als Fotograf leichtbekleidete Damen in aufreizenden Posen ab. Was für die damalige Zeit moralisch anstößig ist, wird jedoch von Marks Privatleben bei weitem getoppt. Denn der durch seine Kindheit traumatisierte Mann fröhnt einem morbiden Hobby. Er lauert ahnungslosen Frauen auf, filmt sie dabei und tötet sie schließlich auch, während diese entsetzt ins Objektiv starren. Über die Jahre hat er so ein Filmarchiv aufgebaut, dass er sich in einer eigens eingerichteten Dunkelkammer in seiner Dachgeschosswohnung regelmäßig anschaut. Als die junge Helen auf Mark aufmerksam wird, scheint ihr Schicksal besiegelt.
Perverser Voyeurismus
Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof (1954) ist ein absoluter Thrillerklassiker, indem James Stewart als an den Rollstuhl gefesselter Fotograph meint, einen Mord im Nachbarhaus beobachtet zu haben. Der Clou des Films ist dabei die Perspektive, weil Hitchcocks Kamera den subjektiven Blick von Stewart imitiert, der durch seinen Fotoapparat schaut. Auch die Zuschauer:innen sind so dem ausgeliefert, was Stewart im Film durch seine Linse betrachtet.
So ist Das Fenster zum Hof ein Musterbeispiel für das voyeuristische Schauen der Hauptfigur, aber vor allem auch der Zuschauer:innen, die vor den Bildschirmen hoffen, dass tatsächlich etwas Reißerisches passiert (ist). Denn Morde und andere Gewalttaten dienen auf der Leinwand genau einer Sache: der guten Unterhaltung.
Auch in Peeping Tom – Augen der Angst geht es um dieses lustvolle (Zu-)Schauen, das der britische Regisseur Michael Powell aber regelrecht pervertiert, um den Zuschauer:innen den Spiegel vorzuhalten. Denn hier sind wir der Perspektive des Serienmörders Mark ausgeliefert. Wir müssen mit ansehen, wie dieser sich über seine weiblichen Opfer hermacht. Aus der Egoperspektive entspringt so der Eindruck, dass wir selbst vor dem heimischen Bildschirm die Morde begehen.
Ein Effekt, wie ihn der italienische Giallo im Laufe der 1960er-Jahre kultivierte, wenn gezückte Messer aus nächster Nähe in Opfer gerammt werden, während vom Killer selbst nur schwarze Handschuhe zu sehen sind. So sind in Peeping Tom auch schon Grundlagen späterer Slasherfilme wie dem Klassiker Halloween (1978) angelegt.
Dass dabei auch noch ausgerechnet Karlheinz Böhm, bekannt als Kaiser Franz Joseph aus den Sissi-Filmen, die Rolle des mordenden Mark Lewis übernahm, war für das damalige Publikum und die Sittenwächter alles in allem zu viel. Skandal!
Die Ursache liegt in der Kindheit
Peeping Tom – Augen der Angst möchte aber nicht nur verstören, sondern auch erklären, wie Mark Lewis zu dem Mann wurde, der ohne jegliche Skrupel Frauen umbringt. Die Ursache liegt, wie so oft, in der Kindheit. Es ergibt sich stückweise aus den Geständnissen von Mark ein pathologisches Krankheitsbild. Der Hauptverantwortliche: Marks Vater, der seinen eigenen Sohn nicht nur ununterbrochen filmte, sondern ihn auch regelmäßig ängstige, um das Thema Angst wissenschaftlich zu untersuchen.
Diese Misshandlung spielt bis in seine Gegenwart als erwachsener, offensichtlich gestörter Mann hinein. Im Film wird sie von einem Psychiater auch als Skoptophilie, die Lust zu starren, bezeichnet. Gerade das damals als überraschende Auflösung angelegte Finale ist in dieser Hinsicht grandios und rundet das Krankheitsbild ab, was sich auch freudianisch sezieren lässt.
Nicht unerwähnt bleiben darf außerdem die Figur der jungen unschuldigen Frau Helen (Anna Massey), die, wäre das hier eine romantische Komödie, die perfekte Rettung für Mark wäre, um ihn aus seinem verschrobenen Junggesellendasein herauszuholen. Doch auf dieser zarten Beziehung liegt für die (aus heutiger Sicht) erfahreneren Zuschauer:innen bereits der trübende Schleier des Untergangs.
So ist diese Liebesbeziehung zum Scheitern verurteilt und eine Spannung entsteht (wenn überhaupt noch) aus dem Wie des Scheiterns. Denn Mark kämpft sichtlich gegen seine familiäre Prägung und die gestörte Ausformung seiner eigenen Triebe und Neigungen, die ihn letztlich beziehungsunfähig machen.
Neue Edition, neuer Glanz
Die neue aufwendig restaurierte 4K-Fassung von Peeping Tom, veröffentlicht von Studiocanal, The Film Foundation und dem BFI National Archive, ist eine wahre Augenweide. Denn hier wurden das originale 35mm Eastman Filmnegativ sowie die optischen Tonspuren verwendet. Die knalligen Farben des Technicolors erstrahlen umso kräftiger auf den heimischen hochauflösenden Fernsehern. Das ist unter anderem auch Regisseur Martin Scorsese und seiner langjährigen Editiorin Thelma Schoonmaker zu verdanken, die bei der Aufbereitung beratend zur Seite standen. Speziell Scorsese setzte sich vollkommen zu Recht immer wieder für die Rehabilitierung des einstigen Skandalfilms ein.
Unser Fazit zu Peeping Tom – Augen der Angst
Michael Powells einstiger Skandalfilm ist dank der neuen 4K-Abtastung eine herausragende Wiederentdeckung für alle, die gehaltvolle Thriller der Marke Hitchcock mögen. Das metaphorische Spiel mit dem Voyeurismus ist auch 60 Jahre nach Erscheinen von Peeping Tom – Augen der Angst noch wirkungsvoll und filmhistorisch höchstrelevant. Dass der Film dabei fast völlig auf visuelle Gewaltdarstellung verzichtet und sich aus heutiger Sicht in vielen Motiven altbekannt und durchschaubar anfühlt, ist dabei zu verschmerzen. Der Abstieg in die Abgründe eines Serienkillers war schließlich Inspiration für viele, viele nachfolgende Filme.
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