God save the Queen! Ein letztes Mal flimmern die Gesichter der englischen Royals aus The Crown über die Netflix-Plattform. Kann die einst gefeierte Serie einen würdevollen Schlussstrich setzen?
The Crown – Die Handlung der 6. Staffel – in zwei Teilen
Im ersten Teil der letzten Staffel von The Crown dreht sich die Handlung um Diana (Elizabeth Debicki). Ihre Beziehung zum ägyptischen Filmproduzenten Dodi Al-Fayed (Khalid Abdalla) wird immer intensiver und beherrscht den öffentlichen Diskurs. Darüber hinaus wird Dianas politische Rolle thematisiert, wie ihr Besuch in Bosnien, um die Menschen, die von Landminen verletzt wurden, zu treffen. Der große Aufhänger ist das tragische Schicksal von Prinzessin Diana in Zusammenhang mit ihrem Tod und der Aufarbeitung des Königshauses.
In der zweiten Hälfte befasst sich die finale Staffel mit den Jahren danach, dem neuen Jahrtausend, und rückt Dianas Sohn Prinz William (Ed McVey) in den Vordergrund. Sein Aufstieg als potenzieller Thronfolger und seine Rollen als Teenagerschwarm und trauernder Sohn werden thematisiert. Das Liebesleben von William spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle, als seine zukünftige Frau Kate Middleton (Meg Bellamy) in Erscheinung tritt.
Dianas Schicksal: Eine dunkle Wolke
Die große Frage, die alle Fans der Serie beschäftigte: Wie geht die Serie mit Prinzessin Dianas Tod um? Wie würde man ihr Andenken würdigen? Mit ihrer Einführung in Staffel 3, damals verkörpert von Emma Corrin, war sie eines der Highlights der Serie. Sie hatte die Perspektive der Zuschauer:innen, ihre Distanz zum Rest der Familie und ihre Emotionen gegenüber Charles (Dominic West) waren tonangebend und einer der Gründe, warum Staffel drei und vier zu den Höhepunkten der Serie zählen.
Schon in der Kritik zur fünften Staffel beklagte sich der Rezensent über die fehlgeleitete Fokussierung auf Dianas Charakter. Mit Elizabeth Debicki hervorragend besetzt, verpasste Morgan einen tiefergehenden Blick in die Beziehung von Diana und Charles zu werfen. Viel zu sehr konzentrierte man sich auf die Liebesbeziehung mit ihrem tragischen Verehrer Dodi Al-Fayed, was auch für die finalen Folgen mit Diana viel zu stark ins Rampenlicht rückt. Erneut entgleitet den Autor:innen die Chance, Dianas politische und gesellschaftliche Rolle zu thematisieren. Es entsteht nie glaubhaft zu vermitteln, warum die Welt bis heute noch um ihren Tod trauert.
Womit sich die Serie leider selbst in den Fuß schießt, ist die vierte Folge namens “Die Nachwirkungen”, in der die Trauer von Charles und der Familie behandelt wird. Bedauerlicherweise wirkt dieses Porträt zu aufgesetzt und reduziert Dianas Vermächtnis auf eine hauntologische Form, in welcher sie nur noch eine metaphysische Präsenz in den Hallen des Anwesens sein wird. Die Aufarbeitung löst nichts weiter als Entsetzen und Frustration aus, weil eine der komplexesten Figuren der Serie auf eine seichte und klischeebeladene Form verabschiedet wird.
William und Kate können die Lücke nicht füllen
Mit nur noch sechs Folgen Laufzeit öffnet Peter Morgan eine weitere Tür in seinem narrativen Netz. Prinz William steigt zum Hauptcharakter dieser finalen Folgen auf. Darsteller Ed McVey leistet eine Heidenarbeit, das Interesse des Publikums auf seine Seite zu ziehen. Es ist eine undankbare Aufgabe, die der Thronfolger auf seinen Schultern trägt. Nicht nur muss er die Lücke, die Diana hinterlässt, ausfüllen, sondern seine Geschichte, die doch sehr klassischer Natur erfolgt, muss den Kampf aufnehmen, ähnlich aufregend und komplex wie die seiner Mutter zu sein.
Jedoch folgen wir einem Jugendlichen, der ein distanziertes Verhältnis zur Vaterfigur hat, das klassische Coming-of-Age-Drama erlebt, nur mit dem Unterschied, dass seine Schritte von der ganzen Welt verfolgt werden. Was in der fünften Episode noch ein spannender Plot ist, ist wenige Episoden später so langsam auserzählt. Das Kennenlernen zwischen ihm und Kate wirkt mehr wie eine Pflichtübung als ein wirklich mitreißendes Beziehungsdrama.
Kein wirkliches Finale-Feeling
Was macht in der finalen Staffel die einst so bedeutsame Königin, die Hauptfigur der ganzen Serie? Sehr wenig. Man merkt, dass jegliches erzählerisches Potenzial bei Queen Elizabeth (Imelda Staunton) aufgebraucht wurde und nicht mehr viel aus der Feder der Autor:innen kommt, abseits kleinerer, intimer Momente innerhalb der Storylines anderer Charaktere. Die Queen verkommt mehr und mehr zu einer Nebenfigur. Verständlich, sie wird älter, und die größeren Geschichten liefern die anderen Figuren, aber der Handlungsspielraum ist sicherlich viel größer als das, was wir im Finale letzten Endes geboten kriegen.
Die große Stärke der Serie war die Implementierung von realen Ereignissen gemischt mit einem wundervoll gespielten Charakterdrama. Das passiert auf der Zielgeraden nun mehr zu selten. Die einzige Folge in Teil 2, die wirklich die Klasse aufblitzen lässt, ist die Verabschiedung von Prinzessin Margaret, die sehr emotional erzählt und grandios von Lesley Manville dargestellt wird. Im Finale selbst bestätigt sich der Gesamteindruck. Es wirkt zäh, mutlos, wenig bissig und lässt nur selten die Klasse vergangener Tage aufblitzen, weswegen Claire Foy und Olivia Colman nochmal einen letzten Auftritt bekommen, um genau an diese Tage zu erinnern.
Unser Fazit zum Finale von The Crown
Als The Crown an den Start ging, hat es die Netflix-Zuschauer:innen begeistert. Das Schauspiel, das Setdesign, die Musik, die Kostüme und die Geschichten – alles war von höchster Qualität. Fünf Staffeln später steht eine Serie über ihrem Zenit, und man merkt, dass das größte Qualitätsmerkmal, nämlich die Storylines, nicht mehr so packend und ergreifend sind wie zuvor. Der Stil bleibt königlich, die Substanz wird dabei zu Grabe getragen. Peter Morgan, der für seinen kritischen Blick gefeiert und ausgezeichnet wurde, wirkt am Ende sehr seicht.
Ist er zu verliebt in seine eigenen Fiktionen von realen Menschen, sodass die Chance nicht mehr genutzt wurde, endgültig die romantische Vorstellung der intakten Königsfamilie zu dekonstruieren? Ist es die Ehrfurcht oder fühlt sich Morgan nicht mehr in dieser Rolle wohl aufgrund der Kritik seitens der Royals? Er verabschiedet seine Serie sehr ruhig, unbedacht und schiebt die kritische Verantwortung an die nächste Generation ab, so wie es Philip und Elizabeth am Ende gewollt hätten.
The Crown – Staffel 6 läuft seit dem 14. Dezember 2023 bei Netflix!
Unsere Wertung:
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