Der in Berlin geborene Regisseur Fritz Böhm liefert mit Wildling einen Genremix aus Coming-of-Age-Drama und dezentem Bodyhorror ab.
Titel | Wildling |
Jahr | 2018 |
Produktionsland | USA |
Regie | Fritz Böhm |
Drehbuch | Fritz Böhm, Florian Eder |
Genre | Horror, Drama |
Darsteller | Liv Tyler, Brad Dourif, Bel Powley, James Le Gros |
Länge | 92 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren freigegeben |
Verleih | Capelight Pictures |
Capelight hat in der Vergangenheit schon öfter mit unkonventionellen, wenig eindeutig kategorisierbaren Filmen glänzen können, die gerade deswegen stark diskutiert wurden. Da gab es das sehr fantasievolle und doch melancholische Krebsdrama Before I Wake. Teilweise schon verhasst wurde das dennoch wichtige Depressionsdrama The Babadook aufgefasst. Deutlicher dem Horror zugewandt, offenbarte sich schon Pascal Laugiers neuestes Werk Ghostland, der im Kern aber auch als hochintensives Missbrauchsdrama gelesen werden kann.
Mit Wildling hat Capelight erneut Mut bewiesen und einem Film, der sich zwischen alle Genrestühle setzt, eine liebevolle Veröffentlichung spendiert. Das Langfilmdebut von Fritz Böhm handelt von Anna (Bel Powley), die seit Geburt von einem Mann großgezogen wird, den sie nur als „Daddy“ (Brad Dourif) kennt. Dieser hält sie mittels Schauergeschichten über kinderfressende Ungeheuer von der Außenwelt fern. Als sie eines Tages von der Polizei befreit wird, beginnt für Anna eine Zeit voll Freiheit und neuer Empfindungen. Allerdings scheint in Daddys Erzählungen auch ein Funken Wahrheit gelegen zu haben…
Coming-of-Age als düstere Mär
Der aufmerksame Leser und Filmfreund ahnt mit Sicherheit schon: hinter der offensichtlichen (Horror)Handlung verbirgt sich eine latent schlummernde Coming-of-Age-Symbolik, in diesem Falle konsequent aus weiblicher Perspektive erzählt. Da Anna von „Daddy“ hormonell beeinflusst wurde, wirkt ihre erste Menstruation wie ein Befreiungsschlag, der allzu natürlichem Verlangen Bahn bricht. Die Suche einer Jugendlichen nach ihrer Identität wird wirkungsvoll, aber auch reichlich vorhersehbar, mit der realen Bedrohung durch einen Wildling demonstriert. Die finale Metamorphose zur erwachsenen und reifen Frau gestaltet sich als radikal zu Ende gedacht. Dabei driftet die Handlung aber doch ein wenig in kitschige Gefilde ab.
Vor allem die Darstellung Bel Powleys Anna ist es zu verdanken, dass Wildling zu solch einem stimmungsvollen Film wird. Powley hat die Aufgabe, eine Teenagerin zu verkörpern, die jahrelang nichts außer einem „Daddy“ und vergitterten Fenstern kannte und die plötzlich umgeben ist von neuen Eindrücken und Empfindungen. Die eigentlich 26-jährige Darstellerin kann mit ihrem doch recht kindlichen Äußeren und all den vielen kleinen Blicken und Gestiken den schmalen Grad zwischen überbrodelnder Neugier und Überforderung gekonnt beschreiten. Sie lässt Anna zur greifbaren Figur werden.
Namhafte Stars in Wildling
Etwas schade hingegen, dass die anderen Figuren oft nur zu Stichwortgebern verkommen. Dennoch ist es schön, Liv Tyler (Der Herr der Ringe-Trilogie, Super, The Strangers) hier als von Mutterinstinkten getriebene Polizistin zu sehen. Collin Kelly-Sordelet spielt deren jugendlichen Bruder Ray, der zusehends Anna verfällt. Brad Dourif (Chucky-Reihe, Der Herr der Ringe-Trilogie, Deadwood) als liebender, aber mit kruden Erziehungsmethoden arbeitender, Vater rundet das Schauspielpaket ab. Regisseur Fritz Böhm trat bisher bei eher seichter Unterhaltung der Marke Männerherzen mit seiner Produktionsfirma Toccata Film in Erscheinung. Umso erfreulicher ist sein ernsthafter, düsterer und atmosphärischer Genremix als Spielfilmdebüt.
Irritierend am Handlungsverlauf ist die enorme Geschwindigkeit, mit der sich die Ereignisse, vor allem Annas körperliche Reifung, abspielen. Ebenfalls befremdlich: Niemand aus Annas neuer Familie ist verwundert über ihre mangelnde Erfahrung mit uns gebräuchlichen Alltagsgegenständen.
Das vollends überzeugende Schauspiel von Bel Powley lässt über die kleinen inhaltlichen Macken hinwegsehen. Sie trägt den Film im Alleingang und wandelt problemlos zwischen verletzlichem Teenie und selbstbewusster (junger) Frau. Die wenigen Effekte sind ausreichend effektiv gestaltet und nehmen gegen Ende des Films in Sachen Umfang und Drastik zu.
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© Capelight Pictures
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