Südkorea steht für Hochglanzthriller wie kaum ein anderes Land. Der 2018 produzierte Found Footage-Horrorfilm Gonjiam – Haunted Asylum hingegen avancierte dennoch zum finanziellen Überraschungserfolg. 2025 schwappt der Film nun auch zu uns – ist der kommerzielle Erfolg in seiner Heimat begründet?

Die Handlung von Gonjiam – Haunted Asylum
Eine unheimliche Übertragung zweier Streamer aus dem Gonjiam-Asylum lässt Ha-joon (Wi Ha-joon), Kopf des YouTube-Kanals „Horror Times“ aufmerken: Warum nicht selber aus der verlassenen und vermeintlich verfluchten Anstalt einen Livestream starten, um den eigenen Kanal endlich über die Millionenmarke der Zuschauerzahlen zu hieven? Zusätzlich zu seinen beiden Mitstreitern, heuern vier weitere Freiwillige an. Aufgeteilt in drei Duos betreten die jungen Erwachsenen das Gebäude in einer Nacht- und Nebelaktion. Ha-joon beobachtet und moderiert das Spektakel derweil von außerhalb. Erwartungsgemäß dauert es nicht lange und dem Team offenbaren sich die ersten unheimlichen Vorkommnisse…
Wandelbares Genre
Found Footage oder auch Fluch und Segen. Losgetreten durch eine ausgeklügelte Marketing-Kampagne erhob sich Blair Witch Project 1999 zum Wegbereiter und Meister des Genres. Aus Sicht von Produzenten und Regisseuren kann man problemlos nachvollziehen, was dieses Subgenre so attraktiv macht: Egoperspektive, verwackelte Aufnahmen, durchwachsene Bild- und Tonqualität gehören hier zum gewollten Stilmittel und lassen Makel in diesen Themenfeldern geschickt kaschieren. Nahbar soll das Geschehen sein, authentisch die Figuren und unmittelbar der Schrecken. Die POV-Shots erinnern an Homevideos und ziehen das Publikum bestenfalls direkt hinein ins Geschehen.
Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein: Der eine ist von der wackligen Kameraführung genervt, der nächste stattdessen vielleicht sogar von Übelkeit geplagt. Zudem ergeben sich gern logische Brüche, wenn die Protagonisten in Momenten höchsten Schreckens noch immer tapfer mit der Kamera auf das Erlebte halten. Hier zeigt sich, dass Found Footage so wandelbar und anpassungsfähig ist, wie kaum ein Subgenre des Horrors. Wo 1999 im Blair Witch Project eben noch die klobige Videokamera herhalten musste, sind es einige Jahre später bei der Paranormal Activity bereits Überwachungskameras und anno 2022 werden in Deadstream die Ereignisse eben in Form eines Livestreams festgehalten.
Streameralltag
In genau diese Kerbe schlägt auch Gonjiam – Haunted Asylum. Der Film bedient sich dafür häufig genutzter Klischees über die YouTube- und Streamingszene. Egozentrisch-narzisstisches Auftreten der Akteure ist da ebenso an der Tagesordnung, wie das Zurechtbiegen der Geschehnisse bis hin zur offenkundigen Manipulation, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Der Zweck heiligt die Mittel oder auch: Alles für die Klicks. Immerhin umschifft das südkoreanische Werk damit die bereits angesprochene Logikpanne, weshalb auch in ärgsten Momenten unerbittlich weitergefilmt wird. Denn: Die Protagonisten in der Anstalt sind mit Body- und Facecams ausgestattet, zusätzlich sorgen installierte Kameras für weitere Blickwinkel. Unabhängig vom Geschehen läuft die Aufnahme hier also ungehindert weiter.
Atmosphärische Location…
Die Gonjiam-Anstalt existierte bis zu ihrem Abriss im Jahr 2018 wirklich, war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits seit Jahren stillgelegt und gern genutztes Reiseziel für Lost Place-Enthusiasten und Fans des vermeintlich Paranormalen (nicht ganz unschuldig ist hierbei sicherlich die Kür des CNN Travel zu einem der 10 unheimlichsten Orte). Eine Drehgenehmigung im originalen Gebäude erhielt die Produktion nicht, es wurde aber versucht, den Geist des Baus in einer alternativen Location wiederzuerwecken.
Das Setdesign gehört damit zu den klaren Highlights von Gonjiam – Haunted Asylum. Vermüllte Gänge, demoliertes Inventar, Schutt und Dunkelheit sorgen für eine greifbar-dichte Atmosphäre und wecken die bizarre Neugier, die Lost Places auslösen können. Was ist hier früher geschehen? Was hat dafür gesorgt, dass es heute so aussieht? Im Falle von Gonjiam stellt sich natürlich noch die Frage, ob es nicht tatsächlich spukt, wenn Türen plötzlich zuschlagen oder vereinzelte Gegenstände wie von Geisterhand ihren Standort wechseln.
…aber lahme Charaktere
So authentisch und überzeugend das Setdesign auch ausfällt: Es reicht leider nicht aus, um den Film über seine Laufzeit zu tragen. Die anfängliche Begeisterung weicht irgendwann ernüchterter Monotonie, da schlichtweg nichts von Bedeutung geschieht. Da die Figuren nahezu farblos bleiben, hält sich ein Mitfiebern seitens des Zuschauers zudem arg in Grenzen und deren Schicksale interessieren nahezu gar nicht. Gonjiam verschwendet schlichtweg viel zu lange Zeit darauf, eine Protagonisten beim Streamen zu zeigen, ohne das dabei etwas von Relevanz oder Spannung für das Publikum ereignet.
Erst nach einer guten Stunde besinnt sich der Film auf sein Genre und lässt Horror Einzug halten. Teils gelingen dabei sogar sehr intensive und unheimlich-klaustrophobische Sequenzen. Aber sie sind eben nur genau das: Einzelne kurze Lichtblicke in einem ansonsten nahezu langweiligen Film.

Spannungsarmut
Die in Gonjiam erzählte Handlung kommt kaum über den eingangs zusammengefassten Plot hinaus. Zwar wird der Anstalt eine düstere Vergangenheit nachgesagt, eine investigative Recherche der Mädels und Jungs darf man aber nicht erwarten. Schließlich verfolgen zumindest die Betreiber des YouTube-Kanals keine hehren Ziele, sondern gieren nur nach Gewinnmaximierung. So bleibt neben den Figuren auch die Erzählung oberflächlich und weiß ihrem dankbaren Setting ebenso wenig Spannung abzugewinnen, wie die mehrheitlich kreischenden und ängstlich drein schauenden Akteure.
Zumindest hinsichtlich sich einstellender Seekrankheit aufgrund übermäßigen Kameraschwankens kann man Entwarnung geben: Da viele der Kameras fest installiert sind, bieten die eingefangenen Bilder meist übersichtliche Aufnahmen. Das ein oder andere Mal erwischt man sich auch dabei, wie man die starren und grieseligen Bilder nach Bewegungen oder Anomalien absucht, jedoch bleibt es mehrheitlich bei der Suche. Wie bereits erwähnt, bleibt der Pay Off leider aus. Die Szenen um das mysteriöse Zimmer 402 bieten spät im Film aber immerhin den Anflug einer Entschädigung.
Auch wenn ich mit Gonjiam an dieser Stelle hart ins Gericht gehe: In seiner Heimat hat er sich nach A Tale of Two Sisters zum zweiterfolgreichsten Horrorfilm an den Kinokassen gemausert.
© Busch Media Group
Unser Fazit zu Gonjiam - Haunted Asylum
Regisseur Jung Bum-shik ist mit Gonjiam – Haunted Asylum ein zäher Found Footage-Grusler gelungen, der mit ansprechendem Setting punkten kann. Dazu gesellt sich jedoch sprichwörtlich Leerlauf, wenn die Protagonisten primär durch verwaiste Flure und Räume wandern. Bis hier intensivere Momenten mit Schockpotential eintreten, quält man sich durch zähe zwei Drittel der Laufzeit – und selbst dann überzeugen nur wenige Szenen. Verschenktes Potential!
Gonjiam - Haunted Asylum ist ab dem 27. Februar 2025 als Mediabook (Blu-ray & DVD) sowie als Single-Blu-ray und DVD erhältlich.
Tobi ist bereits gute 7 Jahre an Bord und teilt so fast 20% seiner Lebenszeit mit Filmtoast. Wie es ursprünglich dazu kam ist so simpel wie naheliegend. Tobi hatte unregelmäßig auf Seiten wie Schnittberichte Reviews zu Filmen verfasst und kam über diverse facebooksche Filmgruppen und –diskussionen in Berührung mit dem damaligen Team von Filmtoast (die Älteren erinnern sich: noch unter dem Namen Movicfreakz) und wurde daraufhin Teil dessen.
Thematisch ist er aufgeschlossen, seine feste Heimat hat er jedoch im Horrorfilm gefunden, da für ihn kein anderes Genre solch eine breite Variation an Themen und Spielarten zulässt. Kontroverser Ekelschocker, verstörender Psychothriller oder Elevated Horror – fast alles ist gern gesehen, auch wenn er zugeben muss, dass er einen Sweet Spot für blutrünstig erzählte Geschichten besitzt.
Tobi geht zum Lachen jedoch nicht (nur) in den blutverschmierten Keller, sein Herz schlägt unter anderem bei Helge Schneider, dänischem schwarzen Humor oder den Disyneyfilmen seiner Kindheit höher.
Kinogänge vollzieht er am liebsten im städtischen Programmkino, zum Leidwesen seiner filmisch weniger affinen Freunde, meidet er große Kinoketten wie der Teufel das Weihwasser. Am liebsten geht er seiner Filmleidenschaft jedoch in den eigenen vier Wänden nach, um den viel zitierten Pile of Shame seiner physischen Filmsammlung abzuarbeiten.
Tobi lebt in Sachsen-Anhalt, ist beruflich in einer stationären außerklinischen Intensivpflege verankert und hat mit der Begeisterung zum Film und dem Schreiben darüber den für sich perfekten Ausgleich zum oftmals stressigen Arbeitsalltag gefunden.