Keira Knightley kehrt zurück aufs Schiff! Nein, das ist kein neuer Teil von Pirates of the Caribbean, hier kommt der neue Netflix-Thriller The Woman in Cabin 10: Schiffbruch oder Gala-Regatta?
Darum geht’s in The Woman in Cabin 10
Eine Journalistin nimmt beruflich an einer Luxuskreuzfahrt teil. Eines Nachts wird sie Zeugin eines Mordes. Doch sie findet kein Gehör, denn laut der Passagier- und Besatzungsliste fehlt niemand. Trotzdem sucht sie weiter nach Antworten und riskiert dabei ihr eigenes Leben.

Hitchcock-Vibes auf hoher See
Die Synopsis macht direkt klar, dass man für The Woman in Cabin 10 mal wieder DEN Voyeurismus-Thriller von Suspense-Altmeister Alfred Hitchcock schlechthin aufkochen will. Das Netflix-Original ist eine eindeutige Rear Window-Variation – aber das muss erstmal noch nichts Schlechtes heißen, hat doch beispielsweise die Shia LaBeouf-Version Disturbia immerhin auch für die damaligen Jugendlichen exzellent funktioniert – The Woman in the Window mit Amy Adams hingegen weniger. Aber Netflix hat scheinbar einen Narren an dem Sujet gefressen, hat man doch direkt auch noch mit The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window mit Kristen Bell eine Parodie des Stoffs, die gleichzeitig aber eine Verneigung und zeitgemäße Kommentierung der Urformel war, nachgeschoben.
Jetzt darf sich also Keira Knightley in ihrem zweiten Netflix-Projekt hintereinander (Black Doves) im Konflikt zwischen eigener Wahrnehmung und fremden Anschuldigungen beweisen. Die Frage ist dabei natürlich vorrangig, ob man die klassische Geschichte nun ein weiteres Mal für das Heute umdeutet, nah an der Vorlage bleibt oder gar etwas ganz anderes mit diesem Thriller zum Ziel gesetzt hat.
Ausrechenbar, kalt…
Nun ja, müsste ich nun mit dem Positiven anfangen und würde ich dabei sagen, das sei die Laufzeit von nicht mal 90 Minuten, dann sagt das wohl alles, ob The Woman in Cabin 10 dem Thriller-Fach auch nur einen Mini-Impuls mitgeben kann. Leider ist dieser Netflix-Krimi der Inbegriff dessen, was die Streamingdienste in den vergangenen Jahren in puncto Film-Output in Verruf gebracht hat. Nahezu alles folgt dem Schema-F für Möchtegern-twisty-Thriller, bei denen man aber zu jeder Minute schon weiß, wohin einen das hingeschluderte Skript als nächstes führen wird. Aha-Momente: Fehlanzeige.
Wer auch nur einen vergleichbaren Film der letzten Jahre kennt, wird wahrscheinlich sogar vor der Protagonistin drauf gekommen sein, was es mit dem Verschwinden der Passagierin auf sich hat. Verraten wird hier natürlich trotz aller Vorhersehbarkeit nichts in Bezug auf die Wahrheit dahinter und den Finalakt, aber selbst wer hier mit niedrigen Erwartungen herangeht, der wird ernüchtert sein, wie einfach hier das „Komplott“ sowohl gespielt wurde als sich dann aber auch auflösen lässt.
Zwar macht dafür die Luxusyacht als Location schon einiges her, aber selbst das hat man so ja schon Dutzendfach gesehen. Der Rest ist leider auch optisch unterwältigend, weil man sich erst überwiegend in den kalten Innenräumen, dann in der norwegischen Fjordlandschaft aufhält, die man ebenfalls nicht ansprechend in Szene zu setzen weiß. Entsprechend ist dieser Film sogar für Streaming-Verhältnisse sichtlich sparsam inszeniert worden – dass im Gegensatz zu beispielsweise Glass Onion dann sogar auf inzwischen leidlich zur Gewohnheit gewordene Produktplatzierungen verzichtet wird, ist zwar eine positive Randnotiz, aber spricht auch nicht unbedingt dafür, dass man seitens Netflix hier großes Vertrauen hatte.
… und frevelhaft im Umgang mit dem Cast
Analog zu den Knives Out-Filmen fährt man hier einen namhaften Cast auf, aus dem dann zumindest die Hauptfigur dank einer engagierten Performance von Keira Knightley noch hervorsticht. Der Rest ist austauschbar und erfüllt lediglich seinen Zweck, die für diese Art von Agatha Christie-Story obligatorischen Archetypen im modernen Gewand abzubilden. Seine Qualitäten ausspielen kann kein einziger wirklich – vor allen Dingen aber enttäuscht einmal mehr in einer stereotypen Rolle Guy Pearce, der eigentlich in The Brutalist ja gezeigt hatte, dass er spielen könnte.

Möchte man noch jemanden neben Knightley hervorheben, dann wäre dies wohl Amanda Collin, die hier als mit ihrer ohnehin etwas kühlen Aura richtig gut in die Rolle der gefühlsarmen Assistentin, die aber im Verlauf doch eine gewichtige Rolle einnimmt, passt. Hannah Waddingham, Gugu Mbatha-Raw, Kaya Scodelario, etc.: allesamt verschenkt, wobei man ihnen bei so einem dürftigen Drehbuch kaum Vorwürfe machen kann.
© Netflix
Unser Fazit zu The Woman in Cabin 10
Ein Krimi, der nicht spannend ist. Eine Schifffahrt, auf der es nichts zu entdecken gibt. Eine Rätsel, das nichts rätselhaftes an sich hat. The Woman in Cabin 10 ist vielleicht für sich genommen keine Vollkatastrophe, aber in Anbetracht der Masse in diesem Genre erleidet man Schiffbruch bevor der Anker überhaupt gelichtet wurde. Ein bisschen Schadenbegrenzung kann immerhin noch die charismatische Protagonistin betreiben. Daher kann man sich die knapp 90 Minuten schon ansehen, aber empfehlen kann man diesen Streaming-Content eigentlich niemandem.
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.

