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La dolce vita – Das süße Leben

Mit der 4-K-rekonstruierten Neuauflage von La dolce vita liegt eines der klassischen Meisterwerke von Federico Fellini endlich in ausgezeichneter Bildqualität vor. Ein Fest für Filmkunstfans. Ob der Streifen darüber hinaus auch einem Publikum von heute etwas zu sagen hat, erfahrt Ihr in unserer Rezension.

LA DOLCE VITA 4K RESTAURIERUNG | Trailer | Deutsch | Ab 29. Juli auf DVD, Blu-ray und digital!

TitelDas süße Leben (OT: La dolce vita)
Jahr1960
LandItalien
RegieFederico Fellini
DrehbuchFederico Fellini, Ennio Flaiano, Tullio Pinelli
GenreDrama
DarstellerMarcello Mastroianni, Anita Ekberg, Anouk Aimée, Yvonne Furneaux, Alain Cuny, Walter Santesso, Magali Noël, Annibale Ninchi, Lex Barker, Valeria Ciangottini, Nadia Gray, Riccardo Garrone, Nico, Ida Galli, Alain Dijon, Adriano Celentano, Polidor
Länge174 Minuten
FSKab 12 Jahren freigegeben
VerleihStudiocanal
Das DVD-Cover der Special Edition von La dolce vita zeigt Marcello (Marcello Matroianni) und Sylvia (Anita Ekberg) im Trevi-Brunnen.
Das DVD-Cover der Special Edition von La dolce vita. © Studiocanal

 

Darum geht’s in La dolce vita

Marcello (Marcello Mastroianni) ist Roms erfolgreichster Klatschreporter. In vollen Zügen genießt er La dolce vita – das süße Leben der Schönen, Reichen und Berühmten der italienischen Metropole. Das pulsiert vor allem auf der Via Veneto mit ihren Straßencafés. Marcello hat sein Büro direkt über dem Café des Paris, dem Treffpunkt der Szene. Zusammen mit seinem Fotografen Paparazzo (Walter Santesso) macht er sich auf die nächtliche Jagd nach aufregenden Neuigkeiten des Boulevards, die ihn nicht selten in die Betten seiner weiblichen Zielpersonen führt.

Ein scheinbar leichtes Leben voller Sex und andere Reize. Ein Rausch, der aber nur allzu oft im harten Sonnenlicht des Tages verblasst. Im Grunde seines Herzens ist Marcello, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, unzufrieden. Und das liegt nicht nur an seiner ständig nörgelnden Verlobten Emma (Yvonne Furneaux), die ihn mit überfürsorglicher Bemutterung an den Rand des Wahnsinns treibt. Doch trennen kann er sich auch nicht von ihr. Aber noch weniger von den Exzessen der oberflächlichen und gedankenlosen Lebensweise der Boheme. Als sein väterlicher Freund, der feingeistige Intellektuelle Steiner (Alain Cuny), Selbstmord begeht, dabei auch seine beiden kleinen Kinder mit sich nimmt, wachsen in ihm zwar die Zweifel an La dolce vita. Doch am Ende ergibt er sich resignierend dem Sog der rauschenden Feste.

Ein fliegender Jesus gibt seinen Segen

Die ersten Bilder von La dolce vita zeigen eine Christus-Statue, die an einem Hubschrauber hängend zunächst an der Ruine eines antiken Aquädukts vorbeifliegt. Dann sieht man ihren Schatten an den Hochhausfassaden einer Trabantensiedlung. Sie fliegt vorbei an Baustellen, verfolgt von spielenden Kindern. Die Hände der Statue sind erhoben, als wolle sie Rom segnen. Oder den Film? Bilder, die fast schon surrealistisch anmuten.

Ein zweiter Hubschrauber mit Journalisten fliegt hinterher, unter ihnen Marcello. Der segnende Jesus verliert sofort ihr Interesse, als sie eine Gruppe badender Schönheiten in einem Dachpool entdecken. Man tauscht Handküsschen und Lächeln aus. Die Mädchen fragen: „Wo wollen die denn hin?“ Der Schnitt gibt die Antwort. Denn umgehend finden wir uns in einem Nachtclub wieder. Und Marcello geht auch hier seiner Arbeit – und seinem Vergnügen – nach.

Sylvia, gespielt von Anita Ekberg, wirft sich in La dolce vita nach der Landung in Rom für die wartenden Fotoreporter in Pose.
Ein Star kommt an: Sylvia (Anita Ekberg) wirft sich nach der Landung in Rom in Pose. © Studiocanal

Ist der italienische Neorealismus tot?

Etwas später wird die Schauspielerin Sylvia (Anita Ekberg) gefragt, ob der italienische Neorealismus tot sei. Fellini gibt in La dolce vita darauf keine eindeutige Antwort. Sylvia ruft zwar „Nein“, doch wird ihr die Antwort eingeflüstert. Sie selbst hat keine Ahnung. Und auch Fellini befindet sich in diesem Film an einem Wendepunkt. Hatten seine früheren, oscarprämierten Werke wie La Strada – Das Lied der Straße und Die Nächte der Cabiria noch deutliche Züger des Neorealismus gezeigt, bewegt er sich mit La dolce vita teilweise schon stark in die Richtung des magischen Realismus seiner fellinitypischen zauberhaften Übersteigerung.

Doch die Anfangssequenz ist auch wie eine Einführung in das Grundthema des Films. Die Leichtigkeit eines von Lust und Leidenschaft geprägten Lebens als Kontrast zur strengen Ernsthaftigkeit einer Existenz, die sich mit vielleicht tiefgründigeren Sinnfragen beschäftigt. Dabei ist Fellinis Blick auf diese lasterhafte Boheme durchaus kritisch, wenn auch nicht moralisch verurteilend. Seine Sicht ist ambivalent. Er sieht die Leere in dieser Existenzweise, die Unzufriedenheit, das Unglück. Er ist aber gleichzeitig fasziniert von der schillernden Oberfläche, dem Zauber der Nacht, der Leichtigkeit von Eros und Lust. Das Leben als Zirkus. Auch wenn dies alles letztlich nur ein Traum bleibt. Doch Fellinis Figuren sind nicht selten Träumer, die wie etwa in Ginger und Fred im Traum Erfüllung finden – auch wenn sie am Ende scheitern mögen.

Selbstmord als Alternative zu La dolce vita?

Doch was könnte die Alternative sein? Das tiefsinnige Philosophieren von Marcellos intellektuellem Vorbild Steiner führt diesen nur in den Selbstmord. Eine vielleicht existenzialistisch gedachte Tat, die aber zugleich die Zukunft tötet. Denn Steiner erschießt auch seine Kinder. Für ihn möglicherweise ein Akt der Liebe und der Freiheit. Steiner sagt zu Marcello: „Das erbärmlichste Leben in Freiheit ist besser, als eine in dieser Gesellschaftsordnung verankerte Existenz. Ein Leben, in dem alles organisiert ist, in dem alles festgelegt ist. … Man müsste so sehr lieben können, um außerhalb der Zeit zu leben. Völlig losgelöst.“ Doch diese Loslösung ist auch nur eine Sackgasse.

Marcello, gespielt von Marcello Mastroianni, steht kurz davor, Sylvia, gespielt von Anita Ekberg, im Trevi-Brunnen zu küssen.
Erotisch aufgeladen: Marcello (Marcello Mastroianni) steht kurz davor, Sylvia im Trevi-Brunnen zu küssen. © Studiocanal

Liebe und Freiheit sucht auch Marcello, doch beides zusammen geht nicht. Seine Verlobte Emma versucht, ihm bürgerliche Fesseln anzulegen. Die schöne Maddalena (Anouk Aimée), in die er sich verliebt, spielt nur mit ihm. Mit Sylvia flieht er in der Nacht von einer lauten Party in die Stille der römischen Altstadt. Über den winzigen Gassen scheint ein mystischer Zauber zu liegen. Die Sequenz gipfelt in die berühmteste Szene aus La dolce vita: Dem Bad im Trevi-Bunnen. Die vollbusige Ekberg unter dem fallenden Wasser vor den klassischen Brunnenskulpturen war nicht nur ein erotischer Aufreger und Skandal in der damaligen Zeit. Es ist ein Bild voll magischer Entrücktheit, das auch Marcello zu der Einsicht bringt: „Wir alle machen’s ganz falsch.“ So steigt er zu Sylvia in den Brunnen. Doch noch bevor er sie küssen kann, wird das Wasser abgeschaltet, die Sonne geht auf. Im Licht des heranbrechenden Tages verfliegt der Zauber.

Der Blick des traurigen Clowns

Eine Alternative scheint sich in der Begegnung mit der Kellnerin Paola (Valeria Ciangottini) anzudeuten, einem jungen Mädchen aus dem ländlichen Umbrien. Während Marcello in dem Strandcafé vergeblich gegen eine Schreibblockade ankämpft, erzählt sie ihm in vollkommener Natürlichkeit von ihrem Leben und ihrem Heimweh. Am Ende des Films sieht er sie wieder. Beide stehen sich am Strand am Rande eines Priels gegenüber, doch eine Verständigung ist wegen des tosenden Meeres nicht möglich. Resigniert wendet sich Marcello ab und läuft dem Partyvolk hinterher. Eine andere kurze Begegnung in der Mitte von La dolce vita bringt die Ambivalenz von Marcellos Leben noch besser auf den Punkt. Er besucht mit seinem Vater einen Nachtclub, in dem ein trauriger Clown (Polidor) mit einer Trompete auftritt. Dieser Clown wirft ihm einen bezeichnenden Blick zu, der zu sagen scheint: „Du bist doch wie ich.“

Paola, gespielt von Valeria Ciangottini, versucht am Strand vergeblich, Marcello, gespielt von Marcello Mastroianni, etwas mitzuteilen.
Verständigungsschwierigkeiten: Paola (Valeria Ciangottini) versucht am Strand vergeblich, Marcello etwas mitzuteilen. © Studiocanal

La dolce vita gewann zwar einen Oscar 1962 nur für seine Kostüme, holt aber in Cannes die goldene Palme und viele andere Preise. Er gilt heute als eines von Fellinis größten Meisterwerken. Seine exorbitanten Produktionskosten, die sich von 400.000 auf 800.000 Lire verdoppelt hatten, spielte er in kürzester Zeit wieder ein. Der Film begeisterte ein Massenpublikum. Ob er aber einem jungen Publikum heute abseits der filmhistorischen Bedeutung noch etwas sagen kann, ist fraglich. Auch wenn das Milieu der Müßiggänger im Rom der frühen 60er Jahre durchaus Ähnlichkeiten hat zu der Oberflächlichkeit der heutigen Partyszene, bieten Sprache und Verhaltensweisen der Groß- oder sogar Urgroßelterngeneration nur wenig Identifikationsmöglichkeiten. Das war natürlich zur Entstehungszeit des Films ganz anders.

Ex-Tarzan Barker schwingt nicht nur die Liane

Immerhin ist der Gastauftritt von Ex-Tarzan Lex Barker ein paar Jahre vor seinem Comeback als Old Shatterhand eine amüsante Kleinigkeit am Rande. Auch wenn er als ständig betrunkener Ehemann von Sylvia eigentlich nur sich selbst spielt – und dabei auch mal die Fäuste schwingt. Adriano Celentano hat als Rocksänger seinen ersten Ausflug ins Filmgeschäft. Und auch das damals sehr erfolgreiche Model Nico ist kurz zu sehen. Wenig später machte sie mit der Band Velvet Underground und als Muse von Andy Warhol von sich reden. Übrigens konnte Fellini sich hier zum zweiten Mal mit der Namensgebung einer Figur in der Alltagssprache verewigen: nach dem großen Zampano aus La Strada ist es in La dolce vita Marcellos Fotograf. Der heißt Paparazzo, und seitdem kennt die Welt die Paparazzi.

Der italiennische Sänger und Schauspieler Adriano Celentano hat bei einer Party in La dolce vita seinen ersten Filmauftritt.
Rockstar: Adriano Celentano hat seinen ersten Filmauftritt. © Studiocanal

Eine gewisse Zeitgebundenheit ist das Schicksal vieler Klassiker der Filmkunst. Auf der ästhetischen Ebene aber bleibt La dolce vita ein zeitloses Meisterwerk. Das Studiocanal nun dank 4K-Restaurierung in hervorragender Bildqualität als Blu-ray neu herausbringt. Auf einer zweiten Disc liegt die mit Spielhandlung aufgepeppte Dokumentation „The Truth of La Dolce Vita“ bei. Der Film widmet sich aber vor allem dem Produzenten Giuseppe Amato und der Entstehungsgeschichte von La dolce vita. Was nicht verwunderlich ist, da die Doku von Giuseppe Pedersoli gedreht wurde, einem Enkel Amatos. Im übrigen der Sohn von Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, der während der Entstehungszeit des Fellini-Klassikers Amatos Tochter heiratete. Und in der Doku auch zweimal kurz zu Wort kommt. Hintergründige Informationen zu dem Film selbst sind allerdings etwas dürftig. Da hätte man sich mehr gewünscht. Dazu wird man vielleicht im Booklet der Special Edition fündig, das dem Rezensionsexemplar nicht beigefügt war.

Mein Fazit zu La dolce vita

Fellinis Meisterwerk ist ein Klassiker der Filmkunst. Auch wenn La dolce vita einem jungen Publikum heute nur noch wenig Identifikationsmöglichkeiten zu bieten hat. Der episodenhafte Charakter des Films lässt kaum Langeweile aufkommen – sofern man sich auf diese Erzählweise einlassen mag. Fellini zeigt in brillanten Bildern ein vielschichtiges Porträt seiner Generation im Taumel zwischen Lust und Langeweile. Sein Blick ist kritisch, aber nicht verurteilend. Man spürt die ambivalente Haltung, die ihn mit seinem Alter Ego Marcello verbindet.

Die 4K-restaurierte Special Edition von Fellinis La dolce vita erscheint am 29. Juli erstmals in Deutschland auf DVD und Blu-ray sowie digital.

Unsere Wertung:

 

 

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