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Auf dem Bild erkennt man Napoleon, wie er auf einem Pferd reitend seine Armee anführt

Napoleon

Nach Killers of the Flower Moon präsentiert Apple TV+ mit Napoleon seinen nächsten Blockbuster. Ridley Scott nimmt auf dem Regiestuhl Platz und produziert erneut ein historisches Epos. Gelingt ihm mit Joaquin Phoenix als Napoleon Bonaparte ein würdiges Biopic?

NAPOLEON Trailer German Deutsch (2023) @FilmtoastDE

TitelNapoleon
Jahr2023
LandUSA, Großbritannien
RegieRidley Scott
DrehbuchDavid Scarpa
GenreDrama, Historienfilm
DarstellerJoaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, John Hollingworth, Ludivine Sagnier
Länge158 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihApple TV+
Auf dem Poster erkennt man Napoleon Bonapartes grimmiges und finsteres Gesicht.
Das offizielle Poster zu Napoleon © Apple TV+

Die Handlung von Napoleon

Am 16. Oktober 1793, mitten in der Französischen Revolution, wird Marie Antoinette öffentlich hingerichtet. Für Frankreich stehen zahlreiche Veränderungen bevor. Der korsische Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) erkennt die Gelegenheit, in der neuen Französischen Republik nach der Machtspitze zu streben. Mit der Wiedereroberung von Toulon im Jahr 1793 und der Niederschlagung eines royalistischen Aufstandes im Jahr 1795 gelang dem taktisch versierten Napoleon der Aufstieg, zuerst zum General und schließlich zum Anführer seiner eigenen Armee. Mit dieser Armee marschierte er in Italien und Ägypten ein. Während seines Aufstiegs verliebt sich Bonaparte in Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby), die er kurze Zeit später zur Frau nimmt. Nach einem Staatsstreich wird er einer der drei Konsuln. Um mehr Respekt gegenüber anderen Staatsoberhäuptern zu erlangen, lässt er sich 1804 zum Kaiser krönen. Von diesem Zeitpunkt an wächst sein Streben nach mehr Macht und der ultimativen Kontrolle über Europa, was jedoch seinen Tribut fordert.

Eine kurze Geschichte über Napoleon im Kino

Es wird sicherlich einige Menschen überraschen zu erfahren, dass die Kinogeschichte über Napoleon Bonaparte nur spärlich in seiner vollen Gänze beleuchtet wurde. Abel Gance inszenierte 1927 mit seinem wohl berühmtesten und von Filmliebhabern respektierten Werk über Napoleon, das 330 Minuten dauert, nur die Ausbildungsjahre auf der Kadettenschule bis zum Italienfeldzug 1796-1797. In den 1950er Jahren unternahm die französische Kinolandschaft den Versuch, ein dreistündiges Werk (in der deutschen Fassung nur 105 Minuten) zu schaffen, das zwar das größte Aufgebot im zeitgenössischen französischen Kino war, aber bei der Kritik scheiterte.

Ansonsten drehten sich Filme oft um besondere Ereignisse aus Napoleons Leben. Abel Gance brachte 1960 die Schlacht um Austerlitz auf die Leinwand. 1970 war es Sergej Bondartschuk, der die berühmteste Verfilmung rund um Napoleons (von Rod Steiger damals verkörpert) endgültige Niederlage in Waterloo erzählte. Der berühmteste Name, der Napoleon spielen sollte, war niemand Geringeres als Marlon Brando in Désirée (1954), wo sein Leben eher eine zweitrangige Rolle spielte, da es um seine kurze Beziehung zu Désirée Clary, der späteren Königin von Schweden und Norwegen, ging.

Abgesehen von weiteren, kleineren Verfilmungen im Kino, im Fernsehen und dem gelegentlichen Einsatz als popkulturelle Referenz (Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit lässt grüßen), wartet die Kinogeschichte darauf, dass das vielschichtige Leben des ehemaligen Herrschers würdig auf der Leinwand zum Leben erweckt wird.

Joaquin Phoenix als Napoleon Bonaparte führt die französische Armee in Waterloo an © AppleTV+
Napoleon auf dem Weg in seine letzte Schlacht © Apple TV+

Napoleon 2023 – Kann es überhaupt im Kino funktionieren?

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die zufriedenstellende Verfilmung eines so aufregenden und vielschichtigen Lebens wie das von Napoleon Bonaparte überhaupt in einer Laufzeit von zwei bis drei Stunden möglich ist. Die bisherigen Versuche scheinen dem nicht gerecht zu werden. Alternativ könnten umfassendere Erzählungen, wie sie 2002 in einem erfolgreichen vierteiligen Fernsehformat unter der Regie von Yves Simoneau umgesetzt wurden, besser geeignet sein. Diese Serie wurde sowohl für das Kostümdesign als auch für John Malkovich als Nebendarsteller für einen Emmy nominiert, wobei das Kostümdesign sogar einen Sieg davontrug.

Es gibt auch das Gerücht, dass Steven Spielberg eines der berühmtesten unverfilmten Drehbücher aller Zeiten als Serie umsetzen möchte. Dabei handelt es sich um Stanley Kubricks ehrgeiziges Napoleon-Projekt, das bis ins Detail vorbereitet und wegen seiner hohen Kosten schon in der Planung aufgegeben wurde. Kubrick musste sich davon zurückziehen, um weiterhin andere Projekte finanziert zu bekommen, da das Vertrauen in eine Napoleon-Verfilmung dieser Größenordnung nicht vorhanden war. Hier liegt das Potenzial für eine umfassende Geschichte des ehemaligen Kaisers. Eine mehrteilige Miniserie wäre dafür besonders geeignet, da dieses Format in der Vergangenheit erfolgreich Geschichten über das Leben realer Persönlichkeiten und die damit verbundenen Ereignisse erzählt hat. Man denke an Serien wie American Crime Story: The People v. O.J. Simpson oder Chernobyl. Die Frage bleibt: Welches Vermächtnis wird die Verfilmung von Napoleon durch Ridley Scott hinterlassen?

Eine bildgewaltige Schlachtplatte

Ridley Scott gehört zu den letzten Regisseuren seiner Art. Er scheut nicht davor zurück, historische Filme im epischen Ausmaß auf die Kinoleinwand zu bringen. Wie bereits in den Trailern angedeutet, hält er sich auch in Napoleon nicht zurück. Das Kanongeschwader Frankreichs wird sowohl schonungslos und brutal als auch beeindruckend durch verschiedene Etappen der militärischen Laufbahn Bonapartes geführt. Sei es in Toulon, in Austerlitz – dem großen inszenatorischen Höhepunkt des Films – oder der finalen Schlacht in Waterloo. Diese Szenen sind überwältigend, fesselnd und greifbar. Er bleibt seinem dreckigen, düsteren Stil aus The Last Duel treu. Nur wenige Filmemacher können historische Schlachten so eindrucksvoll zum Leben erwecken wie Scott. Alles wirkt aufwendig gedreht, akribisch inszeniert und kraftvoll. Einzig die Farbgestaltung lässt zu wünschen übrig, da der gesamte Film sehr entsättigt wirkt und kraftvolle Farben kaum vorhanden sind.
Napoleon krönt seine Frau Josephine zur Kaiserin © AppleTV+
Vanessa Kirby als Kaiserin Josephine während ihrer Krönung © Apple TV+

Schauspielerisch überzeugend, aber nicht fesselnd

Die Besetzung von Phoenix zahlt sich über weite Strecken aus. Er spielt kraftvoll und verleiht seiner Figur einen furchteinflößenden Willen zur Macht, der aus seinen Augen strahlt. Allerdings wirkt er nur selten charismatisch, und an einigen Stellen kommt der große Anführer nicht so deutlich durch, was es manchmal schwer macht, die uneingeschränkte Loyalität seiner Gefolgsleute zu glauben. Dies liegt jedoch weniger an Phoenix als vielmehr an Scotts Schauspielführung, der sich entschieden hat, viele komödiantische Akzente in Phoenix‘ Darstellung einzubringen. Ähnlich wie in Scotts vorherigem Werk House of Gucci amüsiert er sich erneut über mächtige Personen und macht Witze über den Sexualtrieb oder kindliches Verhalten in dessen Ehe. Dadurch leidet an einigen Stellen die Glaubwürdigkeit. Eine ausgewogenere Herangehensweise hätte hier mehr Überzeugungskraft bewirkt.

Josephine, gespielt von Vanessa Kirby, ist die zweite Hauptrolle. Im Vorfeld war die Neugier groß, wie viel Raum ihre Figur im Film einnehmen würde, in der Hoffnung, die Ereignisse durch ihre Augen zu erleben. An einigen Stellen gelingt dies. Wir sehen die intimen Momente im Schlafgemach, lesen die persönlichen Briefe, die Napoleon an sie schrieb, und beobachten ihre Reaktionen auf seine Entscheidungen. Dennoch kommt ihre Rolle zu kurz. Das facettenreiche Spiel von Kirby hätte der Erzählung so viel Frische verleihen können. Wie zeigt sich Napoleon in seinen intimsten Momenten, und wie wirkt er durch die Augen seiner Frau? Hat Josephine ihn aufrichtig geliebt oder hatte sie andere Motive? Zu wenige Antworten zu beiden Figuren scheinen durch, da Scott sich entscheidet, das bereits allgemein bekannte taktische Genie Napoleons erneut in den Fokus zu rücken.

Der Director’s Cut: Ein Problem im Vorfeld?

Schon vor dem Kinostart tauchten Meldungen über eine über vierstündige Fassung des Films auf, die die oben genannten Kritikpunkte, wie die begrenzten Auftritte von Vanessa Kirby im Film, möglicherweise beheben könnte. In dieser Version könnte Scott eine Geschichte erzählen, die dem epischen Ausmaß Napoleons Lebens gerecht wird. Es bleibt abzuwarten, ob diese Ankündigung erhebliche Auswirkungen auf die Kinobesuche haben wird. Die Haltung des Publikums könnte in die Richtung gehen, lieber abzuwarten, als einen „unfertigen“ Film zu sehen, und stattdessen für einen möglichen Director’s Cut den halben Preis zu bezahlen, um ihn in voller Länge exklusiv auf Apple TV+ zu genießen. Insbesondere Anhänger des Director’s Cut von Königreich der Himmel könnten aufhorchen, da die Diskrepanz zwischen der Kino- und der Regiefassung als erheblich gilt.

Unser Fazit zu Napoleon

Wie erwartet, gelingt es Scott in seiner 158-minütigen Laufzeit nicht, dem Thema Napoleon Bonaparte in seiner Vielschichtigkeit, Komplexität und Ausführlichkeit gerecht zu werden. Der Film wirkt durchgängig wie ein außerordentlich inszeniertes „Greatest Hits“-Album aus dem Leben des korsischen Kommandanten. Vieles aus seinem Privatleben kommt zu kurz, die jungen Jahre werden nahezu gänzlich übersprungen, die Familie wird nur beiläufig erwähnt, und seine Ehe mit Josephine entfacht zu selten die Kraft einer neuen, spannenderen Perspektive.

Auch leidet Joaquin Phoenix‘ Performance unter einer Regie, die zwischen Ernsthaftigkeit und Klamauk balanciert, auch weil sich wenig Mühe gemacht wird, wirkliche Unterschiede zwischen dem jungen und älteren Napoleon darzustellen. (Eine Anmerkung: Joaquin Phoenix spielt einen 21-jährigen Napoleon zu Beginn und verändert über die Jahre kaum sein Äußeres.) Was am Ende hängenbleibt, ist die Inszenierung. Die Schlachten sind fantastisch, bleiben am meisten im Gedächtnis und rechtfertigen einen Besuch im Lichtspielhaus. Gerade der Kanonenhagel von Austerlitz stellt eine der besten Sequenzen des laufenden Kinojahres dar.

Napoleon erscheint am 23. November 2023 exklusiv in den Kinos bevor er anschließend bei Apple TV+ im Streaming-Abo zu sehen ist. 

Unsere Wertung:

 

 

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