Im Angesicht des nahenden Todes Lebensfreude und Optimismus verbreiten – das ist wohl die höchste Kunst der Comedy. Ob Dying for Sex hier einen Treffer landet oder am hehren Ziel vorbeischießt?
Dying for Sex – Die offizielle Handlung
Dying for Sex von FX basiert auf der Geschichte von Molly Kochans, die sie mit ihrer besten Freundin Nikki Boyer in einem Wondery-Podcast erzählte. Nachdem Molly (Michelle Williams) die Diagnose Brustkrebs im Endstadium erhält, entscheidet sie sich, ihren Ehemann Steve (Jay Duplass) zu verlassen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erkundet sie ihre sexuellen Wünsche in all ihrer Tiefe und Komplexität. Macht euch gefasst! Molly hat viel vor – und wenig Zeit. Es gibt keinen Raum für Empörung oder Urteile, Molly interessiert sich nicht dafür, was du über ihre „Bucket List“ denkst (ein Begriff, der ihr übrigens nur ein genervtes Augenrollen entlockt). Den Mut für dieses Abenteuer gibt ihr ihre beste Freundin Nikki (Jenny Slate) – eine Frau mit so viel Hingabe und Liebe, dass man sofort zum Telefon greifen und die eigene beste Freundin anrufen möchte.
Komik = Tragik + Zeit
Doch was, wenn die Zeit nicht auf deiner Seite ist? Ist dann Comedy überhaupt noch möglich? Eine Frau erhält die Diagnose, ihr Krebs sei zurück und damit ihre Lebenserwartung auf Monate verkürzt worden. Und was macht unsere Protagonistin? Nein, auf ihrer Bucket List landet kein Fallschirmsprung oder eine Gipfelbesteigung, ihr Ziel ist es, endlich noch ein erfülltes Sexualleben erleben du dürfen. Das klingt auf dem Papier schon nach einer Prämisse, die die Grenzen ausloten muss, um dahin zu kommen, wo es einerseits wehtut und andererseits ein Gag in diesem Zusammenhang noch zünden kann. Und genau dahin „kommt“ Dying for Sex – und reiht sich damit in eine Reihe mit nur wenigen Serien und Filmen ein, denen es ebenso bravourös gelungen ist, dem härtesten aller Schicksalsschläge mit ausgestrecktem Mittelfinger, breiter Brust und dem unbedingten Willen, den Humor aufrecht zu halten, zu begegnen.
The Big Sick oder Das Schicksal ist ein mieser Verräter sind zwei Referenztitel in meinen Augen, denen es auch so gut gelungen war, ein Publikum herzlich und ehrlich zum Lachen zu bringen und dann die emotionale Keule mit Wucht zuschlagen zu lassen. Und diesen beiden steht nun auch die Miniserie in nichts nach, denn zum einen ist die Trefferquote bei den wirklich bissigen Gags, bei denen man fast jedesmal sein moralisches Gewissen fragen will, ob man nun tatsächlich lachen darf, extrem hoch. Zum anderen aber wirkt die Schwere genau so, wie es einer solchen Geschichte guttut, um nicht an der Glaubhaftigkeit zu zweifeln oder auf der anderen Seite zu sehr in eine Mitleidsstarre zu verfallen. So – und nur so kann man mit einer wahnsinnig inspirierenden Kraft so eine schicksalshafte Story voll zur Geltung bringen.
A Duett for the Win
Dass dies so gut gelingt, liegt maßgeblich an Michelle Williams und Jenny Slate, die jede für sich in ihren Rollen hier schon eine Sensation sind, aber dann im Duett nochmal die Extrameile gehen, um tatsächlich mit ihrer Dynamik einen Instant-Classic aufs Parkett zu legen. Die inneren Monologe und Kommentare von Molly sind gespickt mit gekonnten Alltagsbeobachtungen, die man sich selbst kaum aussprechen traut, aber eigentlich ganz genau kennt. Befreit durch die zeitliche Limitierung ihres Restlebens fallen die Hemmungen endgültig, Unbequemes zu verbalisieren. Man stößt zwar Leute vor den Kopf, aber über die Konsequenzen macht man sich kaum noch Gedanken. Doch dann merkt man, dass die inneren Bremsmechanismen vielfach ohnehin Unsinn sind und nur dem Konformitätsdruck obliegen. Eine spürbare Befreiung – nur schade, dass sie eben mit dem Unglück einhergehen musste. Zugespitzt wird das Ganze dann auf das Thema Sexualität, bei dem die US-Amerikaner ja ohnehin als gehemmt gelten. Das macht den Grenzübertritt nochmals intensiver – und ungemein lustiger.
Situationskomik ist das eine, pointierte Zuspitzung das andere und das dritte ist die natürlich herzlich-komische Ausstrahlung, die vor allem Slate und Williams, aber auch der gesamte Nebencast mitbringt. Hier stimmt wirklich alles, um grundsympathisch, gleichsam tragisch und interessant zu sein. Ich würde sogar soweit gehen, dass die Balance auf diesem Level im Serienbereich bislang nur eine handvoll Formate hinbekommen haben, beispielsweise die vielgefeierte Phoebe Waller-Bridges One-Woman-Show Fleabag. Darstellerisch kommt Dying for Sex da nun auch ran, lediglich inszenatorisch war die britische Masterclass unter den Dramedies noch einen Tick origineller und mutiger.
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Unser Fazit zu Dying for Sex
Wow! Dying for Sex hat mich schlicht umgehauen. Schauspiel on point, kaum ein Gag geht daneben, die Story geht ganz tief ins Herz - und im Verlauf richtig an die Nieren. Garniert mit einer der besten Leistungen von Michelle Williams und einem in seiner Gesamtheit einfach sensationell starken Cast, ist die Miniserie - wenn man sich generell mit dem Thema auseinander setzen mag - ein Must-See des Serienjahres 2025!
Dying for Sex startet mit allen Folgen am 4. April 2025 bei Disney Plus!
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.