Lust auf eine Runde Cluedo? Im Weißen Haus! Klingt nach einem frischen Ansatz im angestaubten Genre. Aber ist The Residence tatsächlich frisch – oder nur alter Wein in neuen Schläuchen?

The Residence – Die offizielle Handlung
Netflix springt auf Erfolgszug auf – To late to the murder party?
Hercules Poirot, Miss Marple, Benoit Blanc – Whodunnits sind seit Jahrzehnten nicht aus der Film- und Serienwelt wegzudenken und scheinen nie aus der Mode zu kommen. Mit den Kenneth Branagh-Filmen und der Knives-Out-Reihe kehrte mit reichlich Erfolg erst im letzten Jahrzehnt die klassische Cluedo-like Version zurück in den Mainstream. Zu nennen ist an dieser Stelle natürlich auch die Disney+-Erfolgsserie Only Murders in the Building, die dem typischen Format eine Frischzellenkur verpasste. Auch der im Gegensatz hierzu ziemlich traditionell daherkommende See How They Run soll nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es ist also einerseits nicht überraschend, dass Netflix nun in Kooperation mit Bridgerton-Showrunnerin Shonda Rhimes die schon proppevolle Manege betreten will. Anderseits muss man sich, wenn man „zu spät“ kommt, schon was besonderes einfallen, um nicht für Einfallslosigkeit diskreditiert zu werden – und schlicht überhaupt Beachtung zu verdienen.
Mit welchen Ideen will sich nun also The Residence von der Konkurrenz abgrenzen? Nun ja, das ist die Gretchenfrage. Ja, einerseits ist allein schon mal das Setting im Weißen Haus ein USP, aber das genügt nicht, um wirklich mit einem Novum hausieren gehen zu können. Andererseits ist die Tonalität dieser neuen Serie auch weniger originell als die Macher es wohl selbst meinten: Auch Knives Out war im Kern schon eine Melange aus Hommage ans Genre und eine Parodie auf selbiges. Dies gilt prinzipiell auch für Only Murders in the Building. Dementsprechend ist es kein frischer Ansatz von The Residence quasi die Formelhaftigkeit des Whodunnits durch den Kakao ziehen zu wollen und gleichzeitig trotzdem den Regeln zu folgen.
Poppig, schrullig, nicht wirklich lustig
Als eine deutliche Anspielung an die Vorbilder kann allein schon der Alliterationsname der „genialen“ Ermittlerin gesehen werden: Cordelia Cupp. Und dann kommt der multiperspektivische Ansatz, der sich auch auf die Folgenstruktur niederschlägt, hinzu, den The Afterparty bei Apple TV+ aber durch den Genre-variierenden Ansatz wesentlich abwechslungsreicher rüberbringen konnte. Mit der Architektur des riesigen Gebäudes hingegen spielt die Serie ziemlich gekonnt. die Dimensionen kommen gut zur Geltung, die Unübersichtlichkeit wird smart in die Ermittlungsarbeit eingestrickt. Damit einher geht auch, dass die politsatirischen Elemente in Bezug auf das Innenleben im Präsidentenamt über weite Strecken aufgehen.
Was hingegen die intendierte Wirkung verfehlt, ist die Spleenigkeit der Detektivin, die einerseits mit der Darstellerin irgendwie nicht im Einklang ist und andererseits zu gewollt wirkt. Uzo Aduba macht darstellerisch wenig falsch, aber man will ihr einfach nicht die geniale Ermittlerin abkaufen. Und auch der sprunghafte Wechsel zwischen den Erzählzeiten – Rückblicke zum Bankett, der Zeit davor und dann auch zu den Ermittlungen unmittelbar nachdem die Leiche gefunden wurde, im Wechsel mit der Gerichtsanhörung, bei der quasi das erzählt wird, was dann durch die Bilder verlebendigt werden soll – steht mehr dem Fluss im Wege, als eine verschachtelt konstruierte Mörderjagd zum Miträtseln aufzuziehen.
On Top kommt dann aber, was The Residence womöglich das Genick bricht: Für eine Whodunnit-Krimi-Satire zünden schlicht zu wenige der Witze, kaum ein Running Gag geht auf und nicht selten werden vermeintlich lustige Ideen zum Klamauk. Statt wie bei Only Murders in the Building von einem Gag zum anderen getrieben zu werden und nebenbei noch ein bisschen Krimispaß geliefert zu bekommen, kommt man hier aus dem Ärgern über die Vielzahl von Rohrkrepierern kaum raus, sodass die durchaus vorhandenen guten Ansätze im Verlauf mehr und mehr untergehen.
Zu lang für das Format
Ein weiterer grober Schnitzer ist in meinen Augen, dass sich diese Art von Krimiserie nicht anbietet, um in einstündigen Folgen erzählt zu werden. Die Konkurrenz hat mit halbstündigen Episoden besser geschafft, Längen zu vermeiden. Hier wirkt es immer wieder unnötig langwierig erzählt. Für acht mal eine knappe Stunde ist der Fall im Endeffekt zu „dünn“. Das könnte ausgeglichen werden, wenn man mit den Figuren gern so viel Zeit verbringen möchte. Doch leider sind weder die Hauptcharaktere noch die Nebenfiguren sympathisch oder interessant genug, um über die Längen hinwegzutrösten.
Es gibt immer wieder gelungene Popkultur-Anspielungen und Cameos, aber auch das hält sich in Anbetracht der Laufzeit im überschaubaren Rahmen. Dementsprechend stellen sich hier ziemlich schnell Redundanzen ein, sodass ein Gros der Zuschauerschaft längst aussteigen wird, bevor die Auflösung präsentiert wird – oder aber einige Folgen im Mittelteil überspringt, um die Neugier nach Lösung zumindest noch zu befriedigen.

© Netflix
Unser Fazit zu The Residence
Weder geht The Residence als Agatha-Christie-like Krimi innovative Wege noch ziehen die intendierten Genreparodien. Dementsprechend hängt die neue Shondaland-Serie irgendwie zwischen den Stühlen - und aufgrund der Überlänge recht schnell auch in den Seilen. Mit Sicherheit gibt es schlechter produzierte Miniserien und einige Momente sind auch der Beweis, dass die Grundidee durchaus Potenzial hatte. Letztlich aber kann man diese Miniserie nur denjenigen empfehlen, die wirklich viel Zeit zur Verfügung haben - oder ein Herz für Kylie Minogue mitbringen.
The Residence startet am 20. März 2025 bei Netflix!
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.