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Der Sohn der weißen Stute hält ein leuchtendes Schwert mit beiden Händen von sich weggestreckt.

Sohn der weißen Stute

Marcell Jankovics erzählt in seinem experimentellen Animationsfilm vom titelgebenden Sohn der weißen Stute, der sich in die Unterwelt begibt, um drei Prinzessinnen vor drei Ungetümen zu retten. Wie sich das ungarische Märchen knapp 40 Jahre nach Erscheinen nun in restaurierter Fassung schlägt, erfahrt ihr hier.

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TitelSohn der weißen Stute (OT: Fehérlófia)
Jahr1981
LandUngarn
RegieMarcell Jankovics
DrehbuchLászló György, Marcell Jankovics
GenreAnimationsfilm, Fantasy
DarstellerGyörgy Cserhalmi, Vera Pap, Gyula Szabó
Länge81 Minuten
FSKab 12 Jahren freigegeben
VerleihBildstörung
Das Poster zu Sohn der weißen Stute zeigt den noch ungeborenen Sohn in der Mitte des Bildes, links unten ist die weiße Stute zu sehen, rechts oben greifen dunkle Arme in Richtung des Sohnes
Das Poster zu Sohn der weißen Stute © Bildstörung

Sohn der weißen Stute – Der Baumausreißer

Der Sohn der weißen Stute wird von seiner Mutter in einem Baum aufgezogen und bis ins Erwachsenenalter von ihr gestillt. Durch die Muttermilch erlangt er eine erstaunliche Stärke, sodass er bald als Baumausreißer bekannt ist. Sein Ziel ist es, die drei Drachen der Unterwelt zu bekämpfen und die gefangenen Prinzessinnen zu befreien. Auf dem Weg trifft er seine zwei Brüder, Steinbröckler und Eisenkneter, die ihm nach der Demonstration seiner Stärke die Treue schwören und sich seinem Vorhaben anschließen.

Ein furioser Beginn

In Erinnerung an die Skythen, Hunnen, Awaren und andere nomadische Völker

Mit dieser Texttafel und treibender, manischer Musik wird der Zuschauer begrüßt, ehe in der ersten filmischen Einstellung die weiße Stute völlig entkräftet durch einen dichten Wald flieht, verfolgt von einem dunklen Monster. Es wird schnell klar: Dieser Film wird kein Zuckerschlecken. Rund 15 Minuten lang erzählt der Film nun in einer absolut furiosen und wilden Einleitung die Vorgeschichte der Stute, die in die Gefangenschaft der Drachen gerät, die die Welt unterjochen und den einstigen König stürzten. Nachdem die weiße Stute zwei Kinder gebar und an die Drachen verlor, gelingt es ihr, mit dem dritten Sohn zu fliehen.

Ein drachenartiger Greif liegt auf dem Boden vor zwei imposant wirkenden Bergen, die die Herrscher des Landes darstellen sollen.
Die Landschaft und Figuren werden teils nur durch Konturen dargestellt © 1981 Pannónia Filmstúdió – Alle Rechte vorbehalten

Dabei sollte man sich bewusst sein, dass es sich hierbei nicht um einen herkömmlichen Animationsfilm, sondern um experimentelles Avantgarde handelt. Die Exposition erzählt in der Darstellung durch einfachste Formveränderungen, die in einem Fluss der Bewegung immer wieder neue Schemen bilden. An dieser Stelle erinnert die Machart gar an den Silhouetten-Stummfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed (1926) von Lotte Reiniger, die mit Scherenschnitt-Figuren im Stop-Motion-Verfahren arbeitete.

Baumausreißer, Steinbröckler, Eisenkneter und Prallsack Langbart

Nachdem dem Sohn und dem Publikum von der Mutterstute die Vorgeschichte erzählt wurde, beruhigt sich die Inszenierung etwas und zeigt klarere Animationen. Es bleibt jedoch höchst unkonventionell in der Darstellung und der Zuschauer verliert sich weiterhin in einem einzigartigen Spiel aus Farben, Formen und Tönen. Die Geschichte bildet dabei eher das Grundgerüst. Nachdem sie einander ihre Stärke demonstriert haben, macht sich das Brüder-Trio Baumausreißer, Steinbröckler und Eisenkneter auf den Weg zur Unterwelt.

Bruder Steinbröckler, auch ein Sohn der weißen Stute, läuft mit langen Schritten die bunte Landschaft entlang, am rechten Bildrand scheint die riesig wirkende Sonne.
Steinbröckler stapft durch die Gegend © 1981 Pannónia Filmstúdió – Alle Rechte vorbehalten

Die Figuren sind dabei nur höchst rudimentär charakterisiert und agieren oftmals ohne gesprochene Worte. Dabei spart der Film auch nicht an dem einen oder anderen witzigen Moment, wenn Baumausreißer mal wieder das Unvermögen der anderen Brüder ausbaden muss und ihnen anschließend den Hintern versohlt. Auf ihrem Weg treffen die Brüder so auch etwa auf ein Kobold-Wesen namens Prallsack Langbart, der ihnen das Essen wegfuttert.

Apropos Prallsack: Die vereinfachte Darstellung von Figuren, Formen und Erzählung wirkt teilweise fast putzig, wären da nicht Jankovics‘ Bemühungen, das Ganze zu verfremden. So widmet sich der Film in einer erstaunlichen Unmittelbarkeit immer wieder aufgeladenen Symbolen. In nahezu jedem Bild prangen phallische oder ovale Formen. Sei es die ovale Baumöffnung als Zeichen der Fruchtbarkeit, das zwischen den Beinen getragene und gehaltene Phallusschwert als Ausdruck der (männlichen) Kraft und Macht, oder gar ganze Wesen wie ein Greif, der wie ein fliegender Penis mit zwei Beinen aussieht.

Die drei Prinzessinnen sitzen in einem bauchigen Gefäß, an dessen Oberfläche sich der Unterleib vom Sohn der weißen Stute spiegelt, sodass sein Schwert zu sehen ist, das er zwischen seinen Beinen trägt.
Die drei Prinzessinnen müssen auf die Kraft des Helden hoffen. © 1981 Pannónia Filmstúdió  – Alle Rechte vorbehalten

Wildes Kino vs. einfache Erzählung

Interessant ist aber auch die Gestaltung der bösen Drachen, die bis zu 12 Köpfe besitzen. Diese sind nämlich nicht, wie man erwarten würde, geflügelte schlangenartige Wesen, sondern unterschiedlich dargestellte Ungetüme wie ein Steinmonster (natürlich auch mit Steinskrotum) oder erinnern an einen Panzer. An diesen Stellen oder anhand des speziellen Humors macht sich für den Zuschauer schon bemerkbar, dass sich der Film einem hierzulande quasi gänzlich unbekannten ungarischen Volksmärchen widmet und, wie schon die Texttafel am Anfang ankündet, andere Narrative und Motive bietet als hiesige Erzählungen. So bleibt dem Zuschauer nicht viel mehr übrig, als sich haltlos diesem psychedelischen LSD-Trip hinzugeben, wie es das Animationskino leider viel zu selten bietet.

Während die absolut wilde Inszenierung wohl über die meisten Zweifel erhaben sein sollte, schwächelt der Film leider ab und an an seinem Märchencharakter. Das Brüdertrio sorgt zwar immer wieder für erheiternde Momente, oftmals wird auf Kosten dessen aber auch die gleiche Szene dreimal hintereinander gezeigt, wenn erst die beiden anderen Brüder versagen und der Baumausreißer schließlich erfolgreich sein darf. Auch die finalen Kämpfe gegen die drei Drachen inklusive der Ankunft an der Burg und der Befreiung der Prinzessin ist letztlich dreimal hintereinander der exakt gleiche Ablauf. Für Langeweile sorgt das freilich nicht, doch man kommt nicht drumherum, mit dem Gedanken zu hadern, dass der Film in noch höhere Kategorien vorstoßen könnte, wenn die Erzählung auch nur halb so abgefahren wäre wie die Inszenierung.

Ein Bruder und eine Prinzessin laufen Hand in Hand mit fröhlichem Gesicht frontal auf den Betrachter zu, dahinter ein Greif mit ausgebreiteten Flügeln vor rotem Hintergrund.
Werden die beiden am Ende vereint sein? © 1981 Pannónia Filmstúdió – Alle Rechte vorbehalten

Unser Fazit zu Sohn der weißen Stute

Marcell Jankovics‘ Sohn der weißen Stute ist ein berauschendes Fest an Farben und Formen. Kindliche Darstellungen und Humor vermischen sich mit sexuell aufgeladenen Symbolen und erzählen auf höchst experimentelle Weise die eher konventionelle Geschichte vom Baumausreißer, der in der Unterwelt gegen drei Drachen kämpft. Die Redundanz mancher Szenen schmälert leider teils etwas den anarchischen Geist der Inszenierungswut, es bleibt aber dennoch ein wildes Erlebnis und rares Avantgarde-Animationskino, das jedem ans Herz gelegt sei, der etwas mit unkonventionellen Animationsfilmen anzufangen weiß.

Sohn der weißen Stute startet am 13.08.2020 in ausgewählten Kinos und erscheint im Herbst bei Bildstörung auf DVD & Blu-ray.

Unsere Wertung:

 

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© 1981 Pannónia Filmstúdió – Alle Rechte vorbehalten

© Bildstörung

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