Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit wagt das, was kaum ein Film wagt. Er zeigt auch Nazis als Opfer des Krieges.
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No data available.Worum geht es in Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit?
Wir schreiben das Jahr 1945. Der Zweite Weltkrieg ist überstanden, hat jedoch deutliche Spuren hinterlassen. Dänemarks Nordseeküste wurde von den Nazis, aus Angst vor einem Großangriff der Alliierten, mit ca. 1,5 Millionen Landminen versehen. Dieser soll nun wieder bereinigt werden und da die Säuberungsaktion, gelinde ausgedrückt, sehr gefährlich ist, werden die deutschen Kriegsgefangenen für diese Aufgabe im Schnellprozess ausgebildet und eingesetzt.
Die Dänen, verständlicherweise voller Hass den Deutschen gegenüber, sehen dies als selbstverständlich an, so auch Feldwebel Carl Rasmussen, der mit knapp 10 jugendlichen Kriegsgefangenen einen Strandabschnitt von 45.000 Minen befreien soll. Er zeigt keinerlei Gnade und projiziert seine ganze Wut auf die Gefangenen. Je mehr Zeit vergeht, umso klarer werden seine Gedanken und sein Gewissen kämpft sich immer deutlicher an die Oberfläche. Wie viel haben diese Jungs tatsächlich noch mit den gewissenlosen Nazis zu tun?
Historische Fakten
Auch wenn seit 1929 Zwangsarbeit für Kriegsgefangene verboten war (offiziell von den Alliierten “Freies Personal des Feindes” getauft), ist es absolut verständlich, dass das dänische Volk diesen gefährlichen Job nicht selbst erledigen möchte. Schließlich waren es die Deutschen, die diese abnormale Zahl an Minen legten.
„Wer alt genug ist, in den Krieg zu ziehen, ist auch alt genug, danach aufzuräumen” – Ebbe Jensen
Die Dänische Westküste war mit 1.400.000 Minen versehen, die sich größtenteils mehrere 10-Zentimeter unter der Oberfläche befanden. Die Bereinigung der Küste dauerte rund ein halbes Jahr und es wurden ca. 2.000 Personen eingesetzt, wovon gut die Hälfte ihr Leben verlor. Diese Ereignisse wurden bis heute nicht öffentlich aufgearbeitet.
“Oh nein, nicht noch ein Film über den 2. Weltkrieg”…
…mag man denken. Viel zu oft hat man sich der Thematik bedient, um immer wieder das gleiche Bild zu vermitteln. Martin Zandvliet jedoch wählt einen anderen Ansatzpunkt. Die klassische und auch wirklich sehr verstaubte Variante von guten und bösen Soldaten mag zwar gängiger sein, jedoch entspricht sie nicht ganz der Realität. Ganz ohne Frage hatte das deutsche Heer die schlimmsten Verbrecher zu bieten, die die Welt jemals gesehen hat. Jedoch sollte man nicht unberücksichtigt lassen, dass auch unter den Deutschen blauäugig-naive junge Männer waren, die keine Ahnung hatten, was in der Welt vor sich ging.
Gegen Ende des Kriegs schickte der verzweifelte Hitler jeden auch nur ansatzweise fähigen Soldaten in den Krieg und darunter befanden sich zwangsläufig immer mehr Minderjährige. Kinder, die von ihrem eigenen Volk eine Weltanschauung vermittelt bekamen, die sie wahllos hinnehmen mussten. Internet oder Fernsehen gab es nicht, lediglich die Propaganda Hitlers. Kann man speziell diesen Nachzüglern böswilliges Handeln vorwerfen? Haben Sie nicht sogar genau so wenig Interesse daran, einen Krieg zu führen, wie Gleichaltrige anderer Nationen?
Das alles sind Fragen, die wir uns heute ganz rational stellen können. Doch sah das vor 70 Jahren verständlicherweise anders aus. Wir haben hier mit Dänemark eine Nation, die, wenn auch nicht annähernd so stark wie andere Nationen, Opfer des Zweiten Weltkriegs wurde. Nach Kriegsende herrschte somit nicht nur das Gefühl der Erleichterung, sondern zusätzlich Schuld-, Sühne- und Rachegelüste. Zwischen all diesen emotionalen Wünschen bleibt einfach keine Zeit für eine rationale Betrachtung der Situation, insbesondere weil die Völker im Ganzen gesehen werden und nicht die einzelnen Menschen dahinter. Anders war es aber kaum möglich.
Der Gewissenskonflikt des Carl Rasmussen
In Unter dem Sand jedoch hatte Feldwebel Carl Rasmussen eben genau diese Möglichkeit. Denn er bekam 10 Nazi-Kriegsgefangene unterstellt und sollte sie einen Strandabschnitt mit 45.000 gelegten Minen säubern lassen. Voll von Hass den Deutschen gegenüber fällt es ihm leicht, dieses Unterfangen zu leiten.
Je mehr Zeit er aber mit den Jungs verbringt, umso mehr schafft er es, die oberflächliche Wut abzulegen und sich der Gruppe menschlich zu nähern. So muss er erkennen, dass diese Jungs genauso wenig für den Krieg können, wie er selbst. Sie hungern, sind verängstigt und leiden große Qualen.
„Es geht um Kinder, die nach ihrer Mutter rufen, wenn ihnen die Gliedmaßen abgerissen werden“ – Carl Rasmussen
Stück für Stück baut er eine Beziehung zu den Jungs auf und wird fast schon zur Vaterfigur. Seine harte Schale bröckelt immer mehr und es wächst ein großes Vertrauensverhältnis. Dies findet natürlich keinen sonderlichen Anklang bei seinen Vorgesetzten und so baut sich für Rasmussen allmählich ein immer größer werdender Gewissenskonflikt auf. Wie kann er seine Verantwortung gegenüber dem eigenen Volk mit seiner Verantwortung diesen fremden, unschuldigen Jungs gegenüber vereinen?
Doch wer hier glaubt, “nur” ein Drama serviert zu bekommen, hat sich deutlich geschnitten. Allein der Anfang in Unter dem Sand, in der wir die Ausbildung der Kriegsgefangenen gezeigt bekommen, zieht den Zuschauer sofort in seinen Bann. Die 10 Minuten, in denen nach und nach ein Soldat hinter eine Mauer gehen muss, um seine erste Mine zu entschärfen, lassen keine Luft zum Atmen. Die Spannung steigert sich ins Unermessliche.
Auch danach lässt der Film nicht mehr locker und schraubt abwechselnd eifrig am Gewissen und am Adrenalinspiegel des Zuschauers. Jede falsche Bewegung könnte einen großen Knall bedeuten und wir reden hier von 45.000 Minen.
Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit: Skandalös oder mutig?
Wer traut sich schon, deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs als Opfer darzustellen? Nicht umsonst wurde diese wichtige Historie bis heute noch unter den Teppich gekehrt und ist nahezu in Vergessenheit geraten. Martin Zandvliet hat sie in Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit jedoch hervorgekramt. Ein mutiger Schritt, der aber auch nur von einem Dänen selbst gegangen werden konnte. Wir mögen uns nicht ausmalen, welchen Aufschrei es gegeben hätte, wenn sich ein deutscher Regisseur an dieses heikle Thema gewagt hätte.
Es ist immer schwer, sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, besonders, wenn die eigene Nation Opfer und Täter zugleich war. Unter dem Sand schafft es aber, durch seine subtile Erzählweise alle Seiten zu beleuchten.
Unbekannter Cast erschafft Atmosphäre und spült große Talente an die Oberfläche
Der Cast ist vor allem als Gesamtkunstwerk zu loben. Ich habe selten eine so authentische Darstellung einer Szenerie gesehen. Die Angst und die Verzweiflung in den kindlichen Augen der Gefangenen lassen mich nicht mehr los. Louis Hofmann (Dark) und Joel Basman sind extrem facettenreich und in der Summe einfach nur fantastisch. Von den Jungs werden wir hoffentlich noch viel hören.
Roland Møller als Carl Rasmussen wandelt spielerisch leicht auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Overacting. Es ist ein wahrer Genuss, ihm seine Gedanken aus dem Gesicht zu lesen. Auch er vereint in seinem Spiel so viele Eigenschaften. Innerhalb von Minuten springt er vom Hass getriebenen Rassisten zur rührenden Vaterfigur. Aber auch Mikkel Boe Følsgaard (bekannt aus The Rain) gefällt als gefühlskalter Fiesling.
Unser Fazit zu Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit
Unter dem Sand ist sensibel und erschütternd zugleich. Kaum ein Film hat in mir so viel Wut und trotzdem auch Wärme hervorgerufen. Wir erleben hier gut 100 Minuten voller Menschlichkeit in all ihren Facetten. Wut, Trauer und Hass stehen Verzweiflung, Angst und Sehnsucht gegenüber und dabei hat jede noch so kleine Emotion seine Daseinsberechtigung.
Unsere Wertung:
© Koch Films