Ob Mickey Mouse, Winnie Puuh oder Popeye – Kindheitsikonen als Horrorfilme sind ab sofort der große Schrei. Aus der Heimkino-Ecke kaum noch wegzudenken, kündigt sich mit Peter Pan’s Neverland Nightmare bereits der nächste Eintrag an. Doch ist dieser neueste Schocker ebenso verzaubernd wie das Nimmerland – oder steht ein wahrer Albtraum bevor?
Peter Pan‘s Neverland Nightmare – Darum geht’s
An seinem Geburtstag verschwindet der kleine Michael Darling spurlos. Bald stellt sich heraus, dass der mordlüsterne Peter Pan dahintersteckt. Der entstellte Ex-Zirkusclown entführt schon seit Jahren Kinder und hält sie unter Drogeneinfluss und Schlimmerem im Nimmerland gefangen. Ihre letzte Hoffnung auf Befreiung ist Michaels ältere Schwester Wendy, die Peter Pan in sein Horrorkabinett gefolgt ist…

Horror aus dem Hundert-Morden-Wald
Die Produzenten Rhys Frake-Waterfield und Scott Chambers landeten mit Winnie the Pooh: Blood and Honey einen Überraschungserfolg: Aus 100.000 Dollar Budget wurde ein Millionenhit – trotz vernichtender Kritiken. Schnell folgte Blood and Honey 2 mit mehr Budget, besserem Cast und erweiterten Mitteln. Peter Pan’s Neverland Nightmare setzt noch einen drauf: Das Budget wurde verdreifacht. Die Zukunft der Kindheitsschocker scheint gesichert, denn mehr als eine Handvoll weitere Filme sind geplant – darunter Bambi: The Reckoning und Pinocchio: Unstrung mit Horror-Ikone Robert Englund. Willkommen zur Marvelisierung unserer Kindheitshelden: Das „Twisted Childhood Universe“ ist in vollem Gange.
Kein Peter Pan-Trash…
Peter Pans Neverland Nightmare folgt nun der bekannten Formel seiner Vorfilme – zumindest auf den ersten Blick. Denn zu Beginn gibt es erneut eine stilisierte Einleitung in karikaturesken Bildfolgen, die die klassische Geschichte anreißen und in eine vermeintlich vertraute Abenteuerwelt entführen – ähnlich, wie es bereits die Blood and Honey-Filme inszenatorisch vorgemacht haben. Nur um anschließend die Grundidee vom Haken zu lassen und „geerdet“ einen Horror-Slasher mit bekannten Figurenmotiven kostengünstig erzählen und inszenieren zu können, der Ähnlichkeiten und Parallelen zur Vorlage aufweiset – aber weitgehend losgelöst sein Schema operiert. Doch Peter Pan’s Neverland Nightmare ist der erste Abeger, der auch als ernsthafter Genrefilm funktionieren möchte – und nicht nur als trashiger Guilty Pleasure.
… aber Pennywise Horror reicht
Denn Regisseur Scott Chambers bemüht sich sehnlichst. So hinterlässt der stimmige Einstieg direkt Eindruck: reduziert, ruhig und gekonnt – sogar erstaunlich kohärent. Bereits das eigentliche Intro setzt mit roten Ballons und einer Luken-Sequenz, die als Pendant zu der berühmten Pennywise-Gullideckel-Szene aus Es herhält, einen klaren Tonfall – und nimmt kein Blatt vor den Mund, Anspielungen frei raus zu tragen und Peter Pan in dieser Vision wie die kinderentführende Clownsikone aus Derry auftreten zu lassen. In diesem Umfeld kann besonders Martin Portlock als Titelfigur überzeugen: Er spielt Peter mit einer ausgewogenen Mischung aus Bedrohlichkeit und verspieltem Wahnsinn, kompetent und mit klarer Präsenz.
Feenstaub in Drogendosis
Die Neuinterpretation der Figuren und bekannter Themen gelingt Scott Chambers und Rhys Frake-Waterfield dabei erneut solide. Peter Pan’s Neverland Nightmare zeigt den einstigen Jungen aus dem Nimmerland als kaltblütiges Monster mit einer eigenen und pervertierten Vision seiner Welt – seiner Traumzukunft. Tinker Bell wird zur drogenabhängigen Komplizin, gefangen in einer Lebenssituation, die sie weder gewählt noch unter Kontrolle hat. Ihr Verhältnis zu Peter ist eine Koexistenz aus Drogen, Begierden und Wahnvorstellungen – Gespür für Zeit und Realitätsbezug ist ihr vollkommen abhanden gekommen.
Das losgelöste Erzählen entgegen der ursprünglichen Idee hinter Peter Pan macht ihn damit angenehm unberechenbar: Die Übersetzung des Stoffes in die moderne Welt des Horrors – in eine düstere Realität – ist deutlich durchdachter, als man zunächst vermuten würde. Regisseur Chambers gelingt es, die Essenz neu zu verpacken: Wenn Feenstaub die nächste Dosis wird oder Peters kindliche Verspieltheit als Mittel zum Gruseln und Verscheuchen eingesetzt wird, offenbart sich ein verstörendes Bild des popkulturellen Archetypen.
Gut gemeint, aber seltsam leer

Die Atmosphäre ist stimmig, es gibt einen klaren dramaturgischen Bogen, einen routinierten Spannungsaufbau – Peter Pan’s Neverland Nightmare funktioniert wie ein klassischer Horrorfilm. Scott Chambers inszeniert zwischen psychologischem Horror und brutalem Slasher und versteht es, unangenehme mit peinlichen Szenen zu verweben. Auch die praktisch realisierte Gewalt ist überzeugend etabliert, weil der Splatter ausgiebig ist, aber fast zurückhaltend wirkt. Allerdings verzettelt sich Chambers mit der fast zu klassischen Struktur. Lange Passagen und inhaltsarme Szenen mit der Familie lassen die 89 Minuten dadurch deutlich länger wirken. Doch glücklicherweise zeigt der Neustart mehr Freude daran, Peter Pan und Tinker Bell ausgiebig auszustaffieren und die irrelevanten Menschenrollen nur mit geringer Zeit zu würdigen.
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Unser Fazit zu: Peter Pan‘s Neverland Nightmare
Der neueste Trash-Ableger rund um falsch abgebogene Kindheitsikonen ist zugleich der erste Film dieser Reihe, der tatsächlich als richtiger Horrorfilm durchgeht. Mit einer gewissen Ernsthaftigkeit nähert man sich dem Genre. Nur ist Peter Pan‘s Neverland Nightmare zwar mehr als Trash, aber leider weniger als guter Horror. Man merkt, dass Mühe und Aufwand hineingeflossen ist, dass die Darsteller spürbar alles aus den begrenzten Mitteln herausholen wollen. Allerdings kommt der konstante Spaßfaktor abhanden, der schlussendlich nur für solide Unterhaltungswerte sorgt, aber hinter dem angedeuteten Potenzial zurückbleibt.
Peter Pan's Neverland Nightmare ist im Juni fürs Heimkino erschienen.
Schon seit jungen Jahren filmverrückt: Viel zu früh Genrefilme aller Art konsumiert und mit 14 Jahren begonnen, regelmäßig Kino+ zu schauen – obwohl er zu diesem Zeitpunkt kaum einen der besprochenen Filme selbst gesehen hatte. Geprägt wurde seine Leidenschaft maßgeblich von seiner Oma bei Star Wars: The Clone Wars und dem Schauen „alter Schinken“ vor der Glotze, seinem Vater und seinem großen Bruder mit dem er alles teilte – außer eine gleiche Meinung. Film-Begeisterung wurde beim Schauen von E.T., Jurassic Park, Zurück in die Zukunft und Indiana Jones und der Tempel des Todes entfacht, die bis heute zu den Lieblingsfilmen gehören – ab diesem Moment war klar: Filme werden ihn ein Leben lang begleiten. Er versucht, wöchentlich ins Kino zu gehen, ist sich dabei aber nie zu schade, auch den trashigsten DTV-Untiefen von Action bis Horror eine Chance zu geben oder auch mal ins indische Kino abzudriften. Bekannt aber vor allem für eines: „Alle geben 4 oder 5/5 – und er gibt ’ne 1/5, du weißt genau, da is‘ er, der Louis.“