Direkt nach seinem Achtungserfolg Terrified macht Demián Rugna erneut auf sich aufmerksam. Sein zweiter Spielfilm, When Evil Lurks, konnte einen kleinen Hype auslösen und wurde äußerst wohlwollend aufgefasst. Ende Februar kommen nun auch endlich die deutschen Horrofans in den Genuss des argentinischen Dämonenhorrors. Ist der Hype gerechtfertigt?

Die Handlung von When Evil Lurks
Die beiden Brüder Pedro (Ezequiel Rodriguez) und Jaime (Demián Salomón) werden eines nachts von Schüssen aufgeschreckt. Bei ihren Nachforschungen stoßen sie auf einen verstümmelten Leichnam nahe einer kleinen Hütte. Dort hält eine Mutter ihren kränklichen Sohn Uriel (Pablo Galarza) seit einem Jahr unter Verschluss. Schnell steht fest: Uriel ist einer der „Rotten“, eine Art infizierter Besessener. In ihrer Verzweiflung wenden sich die Brüder an den Landbesitzer Ruiz (Luis Ziembrowski). Doch es folgen schicksalhafte Entscheidungen – mit fatalen Auswirkungen auf die Leben aller Beteiligten…
Bekannt und doch anders
Rugna hat mich mit seinem Episoden-Horror Terrified durchaus unterhalten und erschauern lassen, aber letztlich nicht vollends überzeugt. Dennoch stieg meine Erwartungshaltung hinsichtlich seines nächsten Projekts, dem hier besprochenen When Evil Lurks, rapide an, nachdem ich das erste bewegte Bildmaterial aufnahm. Wirkte Terrified für einen Debütfilm bereits äußerst professionell und routiniert, zeigte alleine der Trailer eine deutliche Weiterentwicklung. Zudem versprach er eine konsequent düstere und pessimistische Stimmung. Bot Rugnas Erstling noch eine urbane Umgebung, konnte mich das angedeutete ländliche Setting etwas mehr für sich vereinnahmen. In genau dieser Designentscheidung liegt bereits eine der großen Stärken des Films: Das ländliche Idyll mitsamt saftig-grüner Wiesen steht im drastischen Kontrast zur beklemmenden Einsamkeit in den unendlichen Weiten des Landlebens, fernab der modernen Zivilisation. Der nächste Nachbar ist wenigstens einen Fußmarsch entfernt, staatliche Organe und Menschenansammlungen verbleiben im städtischen Raum. Die individuelle Freiheit zahlt man hier mit Hilflosigkeit, ist man nicht entsprechend für den Ernstfall gewappnet.
Auch wenn When Evil Lurks somit quasi im Hinterland spielt, ist man vom klassisch-amerikanischen Backwood-Slasher meilenweit entfernt. Hier veranstalten keine inzestuös-degenerierten Hinterwäldler ihre Jagd auf die Teenie-Gruppe, die nur die falsche Abbiegung erwischt hat. Zwar bedient sich Rugna durchaus einiger Stereotypen des breit gefächerten Horrorgenres, präsentiert diese aber auf so erfrischende Art und Weise, dass man etwas Neuem beiwohnt. Damit erinnert der argentinische Streifen an einen Überraschungserfolg vom anderen Ende der Welt: Den australischen Talk to Me der Philippou-Brüder. Denn auch dort ließ das durchdachte Arrangement bekannter Umstände zu, dass sich der Film deutlich unverbrauchter und frischer anfühlte, als er letztlich ist.
Man’s best friend… © Indeed Film / Drop-Out Cinema eG
Befolg die Regeln…
Eine weitere Stärke (und zufälligerweise auch die nächste Parallele zum Horrordrama aus Australien) stellt die Art und Weise dar, wie mit dem (Un)Wissen des Publikums umgegangen wird. Sind es in Talk to Me die jungen Erwachsenen und der Zuschauer, die nichts über das Regelwerk rund um die mysteriöse Gipshand wissen, stellt When Evil Lurks zumindest klar, dass in der bestehenden Filmrealität spezielle Regeln im Umgang mit den sogenannten „Rotten“ existieren.
Denn im filmischen Argentinien sind diese infizierten Bürger etablierter Bestandteil des Lebens. Zwar nicht alltäglich, doch immerhin so routiniert, dass man sich mit deren Auftreten arrangiert hat und in der Theorie weiß, damit umzugehen. Hier greift die zweite große Stärke: Wissen alle Beteiligten womit sie es zu tun haben, muss sich der Zuschauer durch das Geschehen auf dem Bildschirm; durch die Dialoge; durch die Handlungen der Protagonisten erst zusammenreimen, wie diese Welt funktioniert. Doch selbst die Regeln, die im Laufe des Films deutlich kommuniziert werden, schützen nicht zwingend. Einerseits, weil sich die handelnden Figuren selbst nicht verlässlich daran halten, andererseits weil deren Effektivität niemals völlig bewiesen wird.
Die eingestreuten Andeutungen und Brotkrumen motivieren ungemein, dem Treiben auf der Leinwand zu folgen und eigene Überlegungen und Schlussfolgerungen anzustellen. Beispielsweise wird sogar eine eigens für die Infizierten ins Leben gerufene Berufsgruppe unterhalten, die sich auf deren Beseitigung spezialisiert hat. Wie genau der offizielle Umgang mit dem Geschehen abläuft, bleibt allerdings offen. Trotzdem entspinnt sich so eine sogartige Faszination und man ist begierig darauf, zu erfahren, wie diese Welt funktioniert. Bleibt das Grauen anfangs noch unklar, wird ab einem bestimmten Punkt schmerzlich deutlich, dass die „Rotten“ mehr sind, als bloße Folklore.

… oder stirb
Denn alle Andeutungen um den gesellschaftlichen Umgang mit dem bestehenden Problem und unausgesprochenen familiären Ballast zum Trotz bleibt When Evil Lurks noch immer ein Horrorschocker. Und das macht er deutlich – mehr als einmal, effektiv und ohne Rücksicht auf Verluste. Wie eingangs von mir vermutet, verströmt der Film genau diese erhoffte unheilvolle und düstere Atmosphäre, die durch ihre unterschwellige Art den Horror erst richtig reifen lässt. Hängt von Beginn an eine unstete und schwer greifbare Gefahr über dem Geschehen, wandelt sich dieses nebulöse Grauen zu immer offensiveren Schocks, die weder Halt vor Gattung, Alter oder Geschlecht seiner Opfer machen. Dabei gelingt Rugna der Balanceakt zwischen grafischem Grauen und atmosphärisch-schrecklicher Anzeichen. Einmal wird der Schrecken nur diabolisch grinsend angedeutet, das andere Mal greift er sprichwörtlich in die Vollen. So viel ist jedenfalls sicher: Sicher ist hier niemand. When Evil Lurks ist kein leichtfüßiger, schwarzhumoriger und leicht verdaulicher Splatterspaß à la jüngst noch Terrifier 3, sondern beinharte Kost, die aufgrund ihrer Trostlosigkeit und der sich unaufhaltsam drehende Abwärtsspirale schwer verdaulich daherkommt.
© Indeed Film / Drop-Out Cinema eG
Unser Fazit zu When Evil Lurks
Grimmig, düster und knüppelhart: When Evil Lurks sorgt mit großer Wahrscheinlichkeit für offenstehende Münder. Zwar macht der argentinische Schocker im Detail wenig neu, verleiht etablierten Tropes des Genres aber einen frischen Anstrich und bleibt deshalb so unvorhersehbar wie konsequent. Genrefans greifen aufgrund des bestehenden (kleinen) Hypes sicherlich eh zu und alle anderen, auch nur minimal, Interessierten sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, effektives Genrekino auf der großen Leinwand zu erleben! PS: Wer zusätzlich zum geschriebenen Wort den lieblichen Stimmen meiner Redaktionskollegen lauschen möchte, hört in unsere Podcast-Episode zum Film rein!
When Evil Lurks feiert am 27. Februar 2025 seinen offiziellen Kinostart in Deutschland, über eine spätere Veröffentlichung im Heimkino sind derzeit noch keine konkrete Infos bekannt.
Tobi ist bereits gute 7 Jahre an Bord und teilt so fast 20% seiner Lebenszeit mit Filmtoast. Wie es ursprünglich dazu kam ist so simpel wie naheliegend. Tobi hatte unregelmäßig auf Seiten wie Schnittberichte Reviews zu Filmen verfasst und kam über diverse facebooksche Filmgruppen und –diskussionen in Berührung mit dem damaligen Team von Filmtoast (die Älteren erinnern sich: noch unter dem Namen Movicfreakz) und wurde daraufhin Teil dessen.
Thematisch ist er aufgeschlossen, seine feste Heimat hat er jedoch im Horrorfilm gefunden, da für ihn kein anderes Genre solch eine breite Variation an Themen und Spielarten zulässt. Kontroverser Ekelschocker, verstörender Psychothriller oder Elevated Horror – fast alles ist gern gesehen, auch wenn er zugeben muss, dass er einen Sweet Spot für blutrünstig erzählte Geschichten besitzt.
Tobi geht zum Lachen jedoch nicht (nur) in den blutverschmierten Keller, sein Herz schlägt unter anderem bei Helge Schneider, dänischem schwarzen Humor oder den Disyneyfilmen seiner Kindheit höher.
Kinogänge vollzieht er am liebsten im städtischen Programmkino, zum Leidwesen seiner filmisch weniger affinen Freunde, meidet er große Kinoketten wie der Teufel das Weihwasser. Am liebsten geht er seiner Filmleidenschaft jedoch in den eigenen vier Wänden nach, um den viel zitierten Pile of Shame seiner physischen Filmsammlung abzuarbeiten.
Tobi lebt in Sachsen-Anhalt, ist beruflich in einer stationären außerklinischen Intensivpflege verankert und hat mit der Begeisterung zum Film und dem Schreiben darüber den für sich perfekten Ausgleich zum oftmals stressigen Arbeitsalltag gefunden.