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Eine Figur aus Senecas Theaterstück hält dem Senator die Finger seines Kostüms an den Hals

Seneca

Der deutsche Hollywood-Regisseur Robert Schwentke versucht sich an einem historischen Experimentalfilm: In Seneca spielt Altmeister John Malkovich den bekannten Senator und Philosophen und sieht sich mit dem Zorn des jungen Kaiser Nero konfrontiert. Liefert Schwentke erneut einen erinnerungswürdigen Streifen wie Der Hauptmann ab? Oder erwartet uns vergessenswertes Kino á la Snake Eyes?

SENECA Teaser Trailer German Deutsch 2023

TitelSeneca
Jahr2023
LandDeutschland, Marokko
RegieRobert Schwentke
DrehbuchRobert Schwentke, Matthew Wilder
GenreDrama, Biografie, Historienfilm
DarstellerJohn Malkovich, Tom Xander, Lilith Stangenberg, Andrew Koji, Louis Hofmann, Geraldine Chaplin, Wolfram Koch
Länge112 Minuten
FSKAb 16 Jahren freigegeben
VerleihWeltkino Filmverleih GmbH
BluRay zum Film Seneca mit John Malkovich
Blu-ray zu Seneca ©Weltkino

Worum geht’s in Seneca?

Wir schreiben das Jahr 65 nach Christus. Das römische Reich befindet sich in seiner Blüte und der Senator Seneca nutzt seine Eloquenz und Philosophie, um sich als Berater der Oberschicht zu verdingen. Selbst der junge Kaiser Nero hört auf seinen Rat. Allerdings ändern sich die Dinge für den Senator schnell: Mit der Zeit geht dem kaltblütigen und grausamen Nero Senecas andauerndes Gerede genauso auf die Nerven wie allen anderen in seinem Umfeld. Nachdem der Kaiser ein Mordkomplott gegen sich aufdeckte, beschuldigt er den Senator, daran beteiligt gewesen zu sein.

Gnadenlos wie er ist schickt er den brutalen Legionär Felix, um ihm mitzuteilen, dass er zum Tode verurteilt wurde. Der selbstgefällige Philosoph hat eine Nacht Zeit, sich umzubringen, ansonsten würde Felix ihn exekutieren. Konfrontiert mit der bitteren Wahrheit muss Seneca, der sich sonst aus jeder Situation herausreden kann, seinem baldigen Ende ins Auge sehen. Mithilfe einiger „Freunde“ und seiner Geliebten bereitet er seinen Abgang vor, denn dieser soll dramatisch sein…

Seneca steht in seinem Haus und hebt die Hand zur Kamera, seine Frau und sein Haushälter stehen hinter ihm
Diese Nacht wird die letzte für Seneca sein ©Weltkino

Kein typischer Historienfilm

Während sich die Synopsis ein wenig so liest, als hätte man hier lediglich ein weiteres Biopic vor sich, hat Seneca einige Tricks auf Lager. Zwar orientiert sich der Film an historisch tatsächlich belegten Handlungspunkten, nimmt sich in deren Ausführung und  Inszenierung aber zahlreiche anachronistische Freiheiten. Allem voran merkt man das natürlich anhand der Kostüme und Sets. Bestes Beispiel: Kaiser Nero, er wird im Film „Präsident“ genannt, wird neben der zumindest authentisch anmutenden Rüstung häufig mit goldener Sonnenbrille gezeigt, hat Tattoos auf dem Arm und spielt ein antikes Saiteninstrument wie eine E-Gitarre. Die Sets machen allesamt einen antiken Eindruck, allerdings wird gar nicht erst versucht, ein glaubwürdiges Bild zu erzeugen. Stattdessen werden uns Ruinen für Paläste verkauft, die manchmal sogar mit Graffitis von Panzern verziert sind.

Ist das alles neu oder innovativ? Nicht wirklich. Schindet es visuell Eindruck? Auf jeden Fall! Senecas Mischung aus Altem und Neuem ist so absurd wie unterhaltsam und sorgt zumindest für tolle Bilder. Wenn John Malkovich als antiker Senator ein Theaterstück inszeniert und dieses mit einem Mikrofon aus Pappe ankündigt, während ein winziges Publikum mit einem Look irgendwo zwischen altem Rom und Burning Man mitten in der Wüste auf Ledersesseln sitzt und gelangweilt dreinblickt, ist das zumindest auf visueller Ebene mehr als unterhaltsam.

Seneca steht neben Neros Mutter, die eine goldene Sonnenmaske trägt
Die Kostüme und das Setdesign von Seneca können sich wirklich sehen lassen ©Weltkino

Nervtötende Dialoge

Allerdings lässt sich dieser Faktor nicht auf die erzählerische Ebene übertragen. Bis auf sein Aussehen ist Seneca alles andere als ein unterhaltsamer Film. Die Grundprämisse ist schnell auserzählt und der Film befasst sich zum Großteil nur mit der Unausweichlichkeit des bereits festgelegten Endes. Das kann funktionieren, tut es hier eben aber nicht. Es passiert einfach zu wenig, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Keine der Figuren ist sympathisch, mit keiner kann man mitfühlen oder sich identifizieren. Und das ist ungünstig für einen Film, der fast ausschließlich aus Dialogen zwischen diesen Figuren besteht.

Im Fall der Hauptfigur sollte man vielleicht lieber von Monologen reden. Seneca selbst redet nahezu am laufenden Band, und zwar so viel, dass sein loses Mundwerk schon ein Handlungselement ist. Und das wird mit der Zeit wirklich anstrengend. Während die meisten Zuschauer vielleicht noch zu Beginn versuchen, seinen wirren Gedankengängen zu folgen, dürften gegen Ende hin sowohl Konzentration als auch Interesse verschwunden sein.

Eine Figur aus Senecas Theaterstück hält dem Senator die Finger seines Kostüms an den Hals
Durch sein loses Mundwerk macht sich Seneca zahlreiche Feinde ©Weltkino

Ich ziehe meinen Hut vor Malkovich, der das durchaus fordernde Skript wirklich fantastisch darbietet. Es ändert jedoch nichts daran, dass man seiner Figur am Ende wahrscheinlich genauso wenig zuhören möchte, wie die anderen Figuren im Film. Vielleicht ist das ja sogar so gewollt? Man wartet förmlich auf das Ende, dass es endlich vorbeigeht mit diesem Schwätzer, doch der Film weigert sich, ihm und uns diesen Gefallen zu tun. Das sorgt dann zwar noch für den ein oder anderen Schmunzler, der jedoch am Gesamteindruck wenig ändern kann. Nun muss ein Film keine sympathischen Figuren haben, um gut zu sein. Das kann eben auch zum Nachdenken anregen. Seneca schafft diesen Spagat allerdings nur selten und erweist sich eher als nervig, als dass etwas hängen bleiben könnte. Und wenn doch etwas hängen bleibt, liegt das sicherlich an der schieren Menge von Senecas philosophischem Geschwafel.

Oberflächliche Gesellschaftskritik

An der Oberfläche mag Seneca zwar ein Historienfilm sein. Dennoch nimmt der Film immer wieder auf die Gegenwart Bezug. Das ist nicht sonderlich subtil, wie an den bereits erwähnten Kostümen und Sets, die vor modernen Details nur so strotzen, bereits auffällt. Und falls es irgendwer immer noch nicht verstanden haben sollte, werden im finalen Monolog Senecas Bilder aus unserer Gegenwart gezeigt und auch das Ende selbst – ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen – nimmt auf unsere aktuelle Gesellschaft Bezug. Sicherlich wäre eine subtilere Herangehensweise vorbildicher gewesen als die Holzhammermethode, die Schwentke hier verwendet. Allerdings passt sie in ihrer nur vermeintlichen Komplexität aber auch gut zum Protagonisten.

Kaiser Nero spielt ein Saiteninstrument wie eine E-Gitarre
Seneca enthält zahlreiche Anspielungen auf die moderne Welt ©Weltkino

Der Film befasst sich immer wieder mit Themen wie der Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich, dem ewigen Kampf von Profit gegen Moral, dem Umgang mit Nihilismus und Vergänglichkeit oder der Verrohung der Gesellschaft gegenüber diesen furchtbaren Dingen. Und dabei bleibt der Film nicht unbedingt eindimensional: Auch Seneca selbst wird immer wieder für seine Ambivalenz verurteilt, das eine zu predigen und doch das andere zu tun. Er hätte die Macht und den Einfluss, etwas zu verändern, aber er nimmt lieber das Geld der Oberschicht im Austausch für seine Rolle als Ja-Sager. Dieser Punkt hätte die größte Stärke des Films sein können. Den Protagonisten als Spiegelbild des Zuschauers zu verwenden und auf eine unbequeme Wahrheit aufmerksam zu machen. Aber die Figur ist einfach viel zu nervtötend, die Dialoge sind viel zu ausschweifend, das Drehbuch ist viel zu langweilig, als dass sich jemand mit Malkovichs Seneca identifizieren wollen würde.

Unser Fazit zu Seneca

Seneca ist ein Experiment, das schiefgegangen ist. Der Film hat eine Menge kreativer Energie, die er besonders auf visueller Ebene auszuspielen weiß. Man merkt ihm das vergleichsweise geringe Budget an, doch was daraus gemacht wurde, kann sich definitiv sehen lassen. Und tatsächlich hat Seneca auch viel zu sagen. Aber dies nützt leider nur wenig, wenn die Art und Weise, wie der Inhalt vermittelt werden soll, derart langweilig ist. Die ständigen hochtrabenden Monologe, gepaart mit den unsympathischen Figuren, sorgen für eine Mischung, die alles andere als Unterhaltung verspricht. Sicherlich ist bloßes Entertainment auch nicht der Anspruch von Seneca, aber der Film liefert einfach zu wenig Substanz, um darüber hinwegsehen zu können.

Wer sich an John Malkovich nicht satt sehen kann oder Lust auf einen visuell kreativen Historienfilm hat und über ein schwaches bis nerviges Drehbuch hinwegsehen kann, kann gerne einen Blick riskieren. Alle anderen können Seneca getrost liegen lassen.

Seneca ist seit dem 11.08.2023 auf DVD, BluRay und als VoD verfügbar!

Unsere Wertung:

 

 

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Zuletzt aktualisiert am 9. August 2023 um 20:13 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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