Die Geheimnisse der Nachbarn aufdecken, das hat schon einen gewissen Reiz. Aber was, wenn diese Nachbarn alle steinreich sind und du selbst ein gefallener Management-Star? Das ist die Prämisse von Your Friends & Neighbors mit Jon „Don Draper“ Hamm bei Apple TV+. Genauso spannend, wie es sich auf dem Papier liest?

Your Friends & Neighbors – Die offizielle Handlung
Nachdem er in Ungnade gefeuert wurde, greift ein Hedgefonds-Manager, der immer noch mit seiner jüngsten Scheidung zu kämpfen hat, darauf zurück, die Häuser seiner Nachbarn im extrem wohlhabenden Westmont Village zu bestehlen, nur um zu entdecken, dass die Geheimnisse und Angelegenheiten, die hinter diesen wohlhabenden Fassaden verborgen sind, gefährlicher sein könnten, als er sich je vorgestellt hat.
Ein seltsamer Mix hinter den Kulissen
Einmal vollkommen losgelöst von der Produktion, um die es im Weiteren gehen wird: Das Erste was mich – noch mehr als der Cast – auf dieses Projekt neugierig gemacht hat, ist das Personal hinter der Kamera. Denn was dabei wohl herauskommt, wenn Jonathan Tropper, Showrunner von unter anderem der Kleinstadt-Gangster-Groteske Banshee und zuletzt der Martial-Arts-Action-Show Warrior, und Craig Gillespie, der unter anderem I, Tonya und Pam & Tommy verantwortete, zusammentreffen, um eine Serie zu realisieren, sollte wirklich jeden Serienjunkie hellhörig machen.
Hier treffen also ein ausgewiesener Fan härterer Action-Gangart und ein Experte von satirischer Aufarbeitung realer Ereignisse aufeinander, versammeln ein Allstar-Ensemble rund um Jon Hamm und betreten ein Genre, das für beide Neuland ist. Doch das Experiment scheint auch bei Apple TV+ direkt auf soviel Wohlwollen getroffen zu sein, dass schon vor der ersten Ausstrahlung eine zweite Staffel in Stein gemeißelt wurde. Sehr viel Gründe also, die die Erwartungen an diese neue Dramaserie in die Höhe schrauben. Zu hoch womöglich?
Jon Hamm spielt… Jon Hamm
James Gandolfini wird für immer mit seiner Rolle als Tony Soprano verbunden sein, Emilia Clarke wird die Daenerys Targaryen wohl nie wieder los und Jon Hamm ist und bleibt Don Draper. Mit seiner Benchmark-Performance hat sich der Schauspieler einerseits ein Denkmal erschaffen, andererseits aber auch dafür gesorgt, dass man seither in jeder seiner Performances den ikonischen Werbetexter sieht. Er ist ein Stückweit mit seiner bekanntesten Rolle verschmolzen, was mal mehr, mal weniger zu seinen Rollenbildern seitdem Mad Men zu Ende ging passen will. In The Morning Show changierte er gekonnt damit, in der fünfte Staffel von Fargo schaffte er aus der sympathischen Grundaura den gegenteiligen Effekt heraus zu kitzeln, aber zuletzt in Landman wollte seine dort deutlich abgehärtetere Figur nicht mit seinem Charme zusammenkommen, womit seine Leistung dort eher negativ herausstach.
Jetzt aber darf er hier wieder mit seinem Draper-Image in die Vollen gehen. Ein Anzugträger, gewieft und gefühlt immer einen Schritt voraus, der eine angenehme Form von Arroganz ausstrahlt, aber immer auch noch einen Hauch von Hilfsbedürftigkeit ausstrahlt, da er in bestimmten Situation wirkt, als stamme er aus einer längst vergangenen Zeit. Den Frauenheld-Aspekt setzen wir an dieser Stelle mal als Teil der Standard-Ausstattung Hamms voraus. Sein Andrew Cooper ist ein etwas an Danny Ocean erinnernder Gentleman-Gangster, der jedoch immer wieder zur Improvisation gezwungen wird, weil er eben bei aller Lockerheit gern mal nicht den letzten Aspekt zu Ende denkt. Eine Paraderolle für Jon Hamm, dem man fast unterstellen muss, hierfür kaum schauspielern zu müssen.
Die High Society bemitleiden?
Unser Protagonist stolpert also eine Art moderner Robin Hood durch die Reichenviertel. Wobei stolpert ist definitiv der falsche Ausdruck, wenn einer mit einem Maserati vorfährt. Das „Stolpern“ bezieht sich dann vielmehr auf die leicht ungelenke Weise, wie er sich hier tatsächlich in den Villen bewegt, einerseits selbstsicher, wie einer, der genau hierhin gehört, andererseits unbeholfen, weil der Zweck, weshalb er eben genau in diesem Moment ist, wo er ist, für ihn eine Art Herausforderung darstellt. Your Friends & Neighbors reiht sich dann eher in die lange Reihe von Serien der letzten Jahre ein, in denen die Dekonstruktion der gehobenen Gesellschaft, des Geldadels in den Nobelvororten amerikanischer Metropolen eine mal mehr, mal weniger zentrale Bedeutung einnahm. Ob The Affair, Desperate Housewives oder Big Little Lies, Menschen, die in privilegierter Lage von Problemen eingeholt werden und ihre (Schein)welt in sich zusammenfallen sehen, das zieht das Publikum magisch an.
Und so beobachtet man mit heller Freude, wie ein Ex-Manager bei seinen Nachbarn einsteigt, um sie um ihre Patek-Philippe-Uhren und andere Luxusgüter zu erleichtern. Mitleid hält sich in Grenzen, aber recht schnell ist es eben nicht mehr der Plot über eine diebische Elster, der hier die meister Faszination ausstrahlt, denn was Andrew Cooper bei seinen Touren in den Villen entdeckt, ist ziemlicher Sprengstoff auf verschiedenster Ebene, so viel sei verraten.
Auch das Familiendrama zieht
Die Story verkauft sich natürlich über den klauenden Hedgefonds-Dude, aber Your Friends & Neighbors ist mehr als die Upperclass-Abrechnung mit Krimi-Würze. Unter der Oberfläche lodert ein Familiendrama, das trotz des manchmal schwarzhumorigen, manchmal satirischen Untertons erstaunlich in die Tiefe geht – und damit aus der leichten Unterhaltung ein Format macht, dass auch die Emotionen adressiert. Dass das so gut funktioniert liegt daran, dass die Serie eben nicht nur den Hauptcharakter stark ausarbeitet, auch die anderen zentralen Handlungsträger sind vielschichtig geschrieben. Vielleicht ist hier der ein oder andere Charakter in der Darstellung etwas klischeehaft geraten, aber selbst das wird dann mit gutem Schauspiel locker aufgewogen.
Lena Hall und Amanda Peet sind dabei besonders herauszustellen. Dank der authentische Vermittlung ihrer Gefühlswelten verbal, aber vor allem auch nonverbal, wird das Beziehungsgeflecht mehrdimensional, die verschiedenen Probleme können selten nur einer Person zugeschrieben oder auf eine Situation zurückgeführt werden. Diese Lebensnähe in der Drama-Ebene macht es fürs Publikum zu einer Gefühlsachterbahn, in die man gerne einsteigt.
Dass die Serie tadellos aussieht, der Vorspann hohen Wiedererkennungswert hat und dass der Humor eine enorme Trefferquote vorweisen kann, braucht man bei einer Apple TV+ kaum noch erwähnen. Trotzdem soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch hier der Dienst seinem Ruf und Anspruch mal wieder mehr als gerecht geworden ist und dementsprechend schon jetzt die zweite Staffel gar nicht schnell genug kommen kann!

© Apple TV+
Unser Fazit zu Your Friends & Neighbors
Your Friends & Neighbors hat das Zeug zum Instant-Classic. Die Grundidee ist simpel, aber wird sowohl exzellent eingeführt, also auch in durchdachten Entwicklungsschritten weitergesponnen. Darüber hinaus bietet nicht nur Jon Hamm eine Hammer-Vorstellung, das Ensemble glänzt und kredenzt eine Vielzahl spannender Charaktere, die das Interesse mühelos aufrechthalten. Spaß, Spannung und Tiefgang gehen Hand in Hand in einer weiteren Qualitätsproduktion von Apple TV+.
Your Friends & Neighbors startet am 11. April 2025 bei Apple TV+ mit zwei Folgen und geht danach im Wochenrhythmus weiter!
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.