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Al Pacino und Rober De Niro in The Irishman

The Irishman

Martin Scorsese war in den letzten Wochen in aller Munde. Bei der hitzigen Marvel-Debatte hat man allerdings fast schon ganz vergessen, dass sein neuer Film The Irishman seit dem 27.11.2019 auf Netflix verfügbar ist. Der Film ist in vielerlei Hinsicht sein gewaltiges Mammutprojekt, das jedoch auch viel Zeit von Zuschauer fordert. Ob er diese Zeit auch wirklch verdient hat, erfahrt ihr in dieser Kritik.

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TitelThe Irishman
Jahr2019
LandUSA
RegieMartin Scorsese
DrehbuchCharles Brandt, Steven Zaillian
GenreBiografie, Krimi, Drama
DarstellerRobert De Niro, Al Pacino, Joe Pesci, Harvey Keitel, Anna Paquin, Jesse Plemons, Bobby Cannavale
Länge209 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihFilmwelt, Netflix

Worum geht es in The Irishman?

„I heard you paint houses“. Das ist der Titel der Biografie auf dem The Irishman basiert. Keine Sorge, der Film handelt von keinem irischen Innenausstatter, sondern von dem Cosa Nostra-Auftragskiller Frank Sheeran. Die Handlung des 209 Minuten langen Films erstreckt sich über verschiedene Zeiträume aus Franks (Robert De Niro) Leben, wodurch die Story trotz der Laufzeit spannend bleibt. Gleichzeitig ist es aber auch die Geschichte des Gewerkschaftsführers Jimmy Hoffa (Al Pacino), für den Frank eine ganze Zeit lang gearbeitet hat. Man könnte sogar sagen, Frank und Jimmy waren so eng befreundet, dass sie fast schon zu Brüdern geworden sind. So ergibt sich eine 209 Minuten lange Geschichte aus kriminellen Verstrickungen, Freundschaft und beiden Seiten der Gangster-Medaille.

Mit dem Alter kommt die Ruhe

Es ist kein Wunder, dass sich ausgerechnet Martin Scorsese dieses Stoffes annimmt. Die Handlung klingt schließlich wie das perfekte „Scorsese’s Finest“. Dennoch hebt sich der Film genug von seinen vorherigen Werken ab, um nicht nur als reines „Best of“ zu funktionieren. Das Gangsterepos ist nämlich deutlich ruhiger und trockener als die Geschichten, die wir von Scorsese kennen. Durch die Zeitsprünge und die vielen Charaktere baut der Film zwar immer wieder Fahrt auf und verlangt dem Zuschauer viel Aufmerksamkeit ab, doch im Kern bleibt es ein ruhiges Drama, das sich genügend Zeit für seine Figuren nimmt. Durch die Gewerkschaftsthematik sind die kriminellen Machenschaften auch bei weitem nicht so rasant, wie wir es von Filmen, wie Goodfellas oder The Wolf of Wallstreet gewohnt sind. Es gibt zwar gewohnte Momente, wie explodierende Autos etc., doch im Gesamten hält es sich einfach deutlich mehr in Grenzen.

Scorseses Filme handelten häufig vom Aufstieg und Fall seiner Protagonisten, doch nun konzentriert sich der Regisseur gefühlt noch stärker auf die Tragik in der Geschichte des von ihm portraytierten Killers. Franks eigene Familie hat Angst vor ihm und auch seine Macht kann ihm nicht vor der Einsamkeit retten. Jimmy Hoffa ist zwar beliebt, doch verfällt seinem eigenen Ego und dem Wunsch, an der Spitze zu stehen. Mit dem tragischen Schwerpunkt gelingt Scorsese eine emotionale Weiterentwicklung seines Lieblingsthemas. Gleichzeitig werden wir durch die Augen der Mobster auch Zeugen wichtiger historischer Ereignisse. Die Invasion der Schweinebucht Kubas oder selbst das Kennedy-Attentat haben zwangsläufig auch Konsequenzen für Frank und dessen Freunde. Auf der anderen Seite gibt es leider auch Szenen, die schlichtweg uninteressant sind. Scorsese konnte sich einfach nicht von einigen eher unnötigen Beiwerk trennen. Das sorgt hier und da eben schon für kleinere Längen.

Frank Sheeran (Rober De Niro, beschützt seinen Freund Jimmy Hoffa (Al Pacino) in The Irishman
Al Pacino und Robert De Niro in The Irishman © Netflix

Für The Irishman versammelt sich die gesamte alte Gangsterfilm-Riege

Eigentlich muss man kaum ein Wort zum Schauspiel verlieren, da die Namen schon für sich sprechen. Trotzdem möchte ich die Leistungen der Darsteller einmal ordentlich loben. De Niro und Pacino haben sich über die Jahre leider einige Pleiten erlaubt und sind nun endlich wieder in gewohnter Bestform zurückgekehrt. Es macht extrem viel Spaß ihnen zuzusehen. Besonders Al Pacino, der als Jimmy Hoffa stark unter seinem Temperament und seinem Stolz leidet, ist auf eine absurde Weise greifbar. Jeder von uns kennt mindestens eine solche Person, doch in The Irishman geht es eben um viel mehr als nur kleine Familienfehden, wodurch sein Verhalten trotzdem sehr skurril erscheint. Neben den beiden Darstellern darf Joe Pesci natürlich nicht zu kurz kommen. Er liefert in meinen Augen die vielleicht beste Leistung seiner Karriere ab. Obwohl sein Charakter deutlich ernster bleibt, als seine ikonischen Darstellungen in Goodfellas oder Casino, stiehlt er jedem in seinen Szenen die Show.

Karvey Keitel und Joe Pesci in The Irishman
Karvey Keitel und Joe Pesci in The Irishman © Netflix

Kinofilm oder überlange Videospiel-Zwischensequenz?

Okay, es ist wohl unvermeidbar bei The Irishman auch über das „De-aging“ zu reden. Dabei ist so eine digitale Verjüngung eigentlich nichts Neues mehr. Rogue One oder die Marvel Filme haben dieses Verfahren mal mehr, mal weniger erfolgreich angewendet. Allerdings spielt The Irishman zum überwiegenden Teil in einer Zeit, in der die Charaktere deutlich jünger sind, als ihre Schauspieler. Dementsprechend ist auch Anteil an De-Aging sehr groß. Schon nach den ersten Trailern gab es genügend Stimmen, die den Film scherzhaft „Mafia 4“ genannt haben. Doch im Endprodukt funktionierte die Verjüngung deutlich besser als befürchtet. In vielen Szenen fällt es nicht einmal weiter auf, und es wird auch häufig gut versteckt. Da sich die Charaktere auch mehr in Bewegung befinden als in den Trailern, ist das De-Aging in einigen Szenen zudem deutlich unauffälliger.

Paradoxerweise sind die Bewegungen aber auch oft die Ursache dafür, dass das wahre Alter der Schauspieler durchschimmert. Das bedeutet, dass sich z.B der verjüngte De Niro häufig zu träge für sein Alter bewegt. Zudem gibt es dann leider doch Szenen, in denen die Charaktere  ins sogenannte „Uncanny Valley“ abrutschen. Am stärksten fiel es mir in der Szene auf, in der wir De Niro als jungen Soldaten sehen. Normalerweise könnte ich darüber hinwegsehen, aber es reißt einen nunmal für einen kurzen Moment aus der Welt, in die man soeben eingetaucht ist, heraus. Auf der anderen Seite kann man Joe Pesci als perfektes Positiv-Beispiel nennen, denn bei ihm fällt das De-aging eigentlich nie wirklich auf. Wenn man nicht verbissen darauf achtet, dann kann man sich eigentlich auch trotz der digitalen Verjüngung erfolgreich von dem Film treiben lassen.

(Russel Bufalino) Joe Pesci im Gespräch mit Frank Sheeran (Robert De Niro) in The Irishman
Joe Pesci im Gespräch mit Robert De Niro in The Irishman © Netflix

Scorseses unverkennbare Handschrift

Martin Scorsese hat eine ganz eigene Handschrift, die oft kopiert, aber nie erreicht wurde. The Irishman zeugt ebenfalls von dieser Handschrift. Man muss kein Experte sein, um nach spätestens 10 Minuten zu merken, wer den Film gedreht hat. Vermutlich reicht dafür sogar schon die erste Szene. Die Musikauswahl, seine Kamerafahrten, Zeitlupen, Montagen und das Voice Over, es schreit geradezu nach Scorsese. Gleichzeitig zelebriert er aber auch das Kino an sich. Es ist schließlich ein storygetriebenes Epos mit Drama, Spannung, Humor und tollen Kulissen. Während Tarantino in Once Upon A Time In Hollywood die 60er Jahre wieder aufleben ließ, fängt Scorsese hauptsächlich die 50er Jahre sehr stimmig wieder ein. Es ist wirklich schade, dass The Irishman nur kurz in wenigen Kinos lief, da er seine Kraft dort stärker entfalten kann, als auf Netflix.

Martin Scorsese und Al Pacino am Set von The Irishman
Martin Scorsese und Al Pacino am Set von The Irishman © Netflix

Mein Fazit zu The Irishman

The Irishman ist Scorseses Herzensprojekt, für das er lange Zeit gekämpft hat. Das merkt man dem Film auch in jeder Szene an. Sowohl im positiven, wie auch im negativen Sinne, denn leider kann sich der alte Meisterregisseur nicht ganz von seinen „Darlings“ trennen, und so zieht sich der Film mit einigen eher unnötigen Szenen mehr in die Länge, als es nötig gewesen wär. Die eher trockene Thematik ist auch nicht immer ganz so interessant, wie es Scorsese sich vielleicht gedacht hat. Gerade auf Netflix könnte es einige Zuschauer zum Abbruch verleiten. Zudem ist der limitierte Kinostart schade, da The Irishman pures Kino ist und dementsprechend auch an diesem Ort am besten funktioniert.

Nichtsdestotrotz kreiert The Irishman eine Welt, in der man sich sehr gerne verlieren kann. Es ist schön, mal ein so entschleunigtes Epos zu sehen, dessen Charaktere ihre Zeit auch verdienen. Für jeden Scorsese-Fan ist es sowieso ein Muss, da seine Handschrift unverkennbar und seine Besetzung die Gangsterfilm Crème de la Crème ist. Allein für die Leistung von De Niro, Al Pacino und Joe Pesci lohnt es sich, die Zeit für den Film aufzubringen. Nach 209 Minuten hat man eigentlich alles geboten bekommen, was man von so einem Film erwarten würde, und auch wenn die ein oder andere Kürzung nicht geschadet hätte, kann man jede einzelne Minute genießen und sich an die „Guten alten Zeiten“ zurückerinnert fühlen.

Unsere Wertung:

 

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