Romantische Komödien schienen lange vom Kino verdrängt, doch Kogonadas A Big Bold Beautiful Journey beweist, dass das Genre noch immer überraschen kann. Gelingt ihm das auch zwischen magischen Türen?
Darum gehts in A Big Bold Beautiful Journey
Was wäre, wenn du eine Tür öffnen und durchschreiten könntest, um einen entscheidenden Moment aus deiner Vergangenheit erneut zu erleben? Die Singles Sarah (Margot Robbie) und David (Colin Farrell) treffen sich zum ersten Mal auf einer Hochzeit und begeben sich anschließend, dank einer überraschenden Wendung des Schicksals, zusammen auf eine große, gewagte und grandiose Reise – auf ein witziges, fantastisches und mitreißendes Abenteuer, bei dem sie nicht nur gemeinsam in ihre jeweilige Vergangenheit eintauchen. Sie erkennen auch, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie heute sind und dass sie vielleicht eine Chance erhalten haben, ihre Zukunft zu verändern.

Eine unerwartete Genre-Renaissance
Einst gehörten romantische Komödien und Liebesfilme zu den im Kino beliebtesten Genres – doch diese Zeiten sind längst vorbei. In den letzten Jahren gaben vor allem Superheldenfilme, Fortsetzungen und Reboots den Ton an. Umso auffälliger, dass das Genre zuletzt mit frischem Atem zurückkehrt. Neben Kassenerfolgen wie Wo die Lüge hinfällt wagte sich jüngst Celine Songs Was ist Liebe wert – Materialists selbstreflexiv an die Strukturen klassischer Romanzen. Und nun Kogonada, der ehemalige Filmkritiker, der mit Columbus und After Yang bereits bewiesen hat, dass er poetisches Kino jenseits ausgetretener Pfade beherrscht. Sein neuer Film ist zugleich Hommage und Dekonstruktion, zärtlich wie schonungslos: A Big Bold Beautiful Journey.
Die titelgebende Reise beginnt in der kafkaesken Leere einer Autovermietung. David erhält dort widerwillig ein Ersatzauto von einer seltsam distanzierten Mitarbeiterin (Phoebe Waller-Bridge). Schon dieser Auftakt deutet recht offensichtlich an: Hier geht es nicht nur um die Logik einer Handlung, sondern um Atmosphären. Oft wirken die wie Bühnenbilder. Später, auf einer Hochzeit trifft David schließlich Sarah. Er ist ein Romantiker, der zu oft enttäuscht wurde, sie eine Skeptikerin, die sich hinter Zynismus versteckt. Figuren, wie aus dem Leben gezeichnet. Als beide wenig später durch das GPS ihrer Leihwagen in einen Wald gelotst werden, stehen sie plötzlich vor einer einsamen Tür. Sie führt in die Vergangenheit – in ihre eigenen Biografien, ihre Schlüsselmomente, ihre Wunden.
So entfaltet sich eine doppelte Bewegung: die äußere Roadmovie-Struktur und die innere Reise ins Unbewusste. Wenn David zurück in seine Highschool-Zeit katapultiert wird, muss er abermals ein Musical spielen, dessen Ende ihn damals gedemütigt hatte. Heute sieht Sarah, wie tief dieser Schmerz sitzt. Umgekehrt erlebt sie selbst im Museum die Nachtwanderungen mit ihrer Mutter, spürt die Last ihres Verschwindens am Sterbebett, das sie damals verpasst hatte. Diese Szenen sind nicht immer logisch im Detail, dafür umso emotionaler für den Zuschauer.
„Schon“ wieder ein Musical – oder nur der Stil?
Wenn es um den Stil geht, wird man nicht umhinkommen an Musicals zu denken. Aber dranbleiben ist hier angesagt. Kogonada inszeniert den Film in einer besonderen Stilisierung. Farbkompositionen in Blau, Weiß und Rot erinnern an Musicals der 1960er, während goldene Lichtstrahlen und plötzlicher Regen das Zusammentreffen der Figuren in einen fast märchenhaften Rahmen tauchen. Räume kippen zu Bühnen, Bilder wirken wie Gemälde, bevor sie wieder zu filmischer Realität zurückschwingen. A Big Bold Beautiful Journey atmet denselben magischen Realismus wie Kogonadas frühere Werke, diesmal aber ergänzt zu den federleichten, zugleich melancholischen Klängen von Joe Hisaishi. Der japanische Komponist, bekannt durch Miyazaki-Filme, trägt entscheidend dazu bei, dass selbst die schwersten Szenen wie Traumsequenzen wirken.
Dabei balanciert der Film geschickt zwischen Romantik und Melancholie. Robbie und Farrell sind kein makelloses Leinwandpaar – und genau darin liegt ihre Stärke. Ihre Unsicherheit, ihre Brüche, ihr Zögern fügen sich in eine Romanze, die nicht vom ersten Augenblick an strahlend gewiss ist, sondern sich tastend zusammensetzt. In stillen Momenten stocken die Dialoge, weil den Figuren die Worte fehlen. Und doch wächst da etwas, das größer ist als sie selbst.

Eine meditative Reise
Ohne die wirklich emotionalen Momente zu spoilern, kann durchaus gesagt werden, dass gerade die einschneidenden Erlebnisse des Lebens beider Figuren, in einer solchen Stärke gespielt werden, wie man es kaum kennt. Alles an diesen – und weiteren – Szenen in A Big Bold Beautiful Journey wird zu einer Meditation über die Liebe als Risiko und Chance. Wer sich auf den Weg zu einem anderen Menschen macht, muss durch Türen gehen, die längst geschlossen schienen – und die Erinnerungen bergen, die am schwersten zu tragen sind. Kogonada verzichtet auf schnelle Auflösungen, sein Film schwingt zwischen Nostalgie und Schmerz, zwischen Fantasie und Realität. Gerade darin liegt seine Stärke: in der Offenheit, in der Unsicherheit, im Schweben.
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Unser Fazit zu A Big Bold Beautiful Journey
A Big Bold Beautiful Journey ist gleichermaßen klassisch und modern: ein melancholisches Roadmovie, eine fantastische Romanze, ein Film, der sich und sein Genre ernst nimmt. Nicht alles fügt sich nahtlos, manches wirkt zu süßlich, anderes zu konstruiert, gespickt mit einigen Logikfehlern – doch in der Summe entfaltet seine Geschichte eine Sogwirkung, der man sich schwer entziehen kann. Kogonada lädt zu einer Reise ein, die weniger ins Gestern als ins eigene Innere führt. Und am Ende liegt darin die große Wahrheit der Romantik: dass zwei Menschen füreinander bestimmt sein können, wenn sie es zulassen.
Pascal, Jahrgang 1998, lebt an der malerischen Nordsee und ist seit Ende 2024 Teil von Filmtoast. Er bringt dort seine Leidenschaft für Film und Serie ein – mit einem besonderen Fokus auf die handwerklichen Aspekte: Schnitt, Ton, Musik und Schauspiel stehen für ihn im Zentrum der Betrachtung. Beruflich ist Pascal als Kaufmann in der (Tiefkühl-)Logistik tätig, wo Struktur und Präzision genauso zählen wie in der Welt des Films. Serien wie House of Cards, The Morning Show und Infiltration gehören zu seinen Favoriten, während sein Filmspektrum von Blockbustern wie Inception und Star Wars bis hin zu Arthouse- und Independent-Produktionen reicht. Besonders beeindruckt hat ihn 1917, insbesondere in Bezug auf Schnitt und Kameraarbeit. Und wenn es um Soundtracks geht, steht für Pascal Hans Zimmer – allen voran mit seiner Komposition für Interstellar – ganz oben auf der Liste.

