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Bei diesen Dingen weicht Hollywood fast immer von der Realität ab

Dass Filme und Serien 1 zu 1 der Realität entsprechen müssen, erwarten nur die wenigsten Zuschauer. Und je nach exaktem Werk haben die Macher in den vergangenen rund 20 Jahren auch deutlich die übertriebene Tonalität heruntergedrosselt. Dennoch gibt es auch Dinge, die auf dem Bildschirm fast schon grundsätzlich anders funktionieren als in der realen Welt – und bei denen es auffällig häufig nur dann wirklich realistisch ist, wenn der Plot es verlangt.

1. Klick-Klack machen die Schießeisen

Feuerwaffen sind eines jener Themen, bei denen Hollywood besonders häufig zugunsten von Action und Story von der Realität abweicht. Allerdings muss man zur Ehrenrettung der Filmemacher zugeben, dass sie deutlich besser geworden sind – wenigstens wird heute zumindest ab und zu nachgeladen. Und nach Treffern meterweit nach hinten fliegende Protagonisten, wie es sie beispielsweise in Last Man Standing noch zuhauf gibt, sind ebenfalls fast verschwunden.

Last Man Standing - Crazy Hotel Shootout Scene (1080p)

Eines bleibt jedoch bis heute: Egal ob eine Pistole gezogen wird oder ob jemand nur ein Gewehr von links nach rechts bewegt, immer erklingt ein metallisch bis schmatzend klingendes Klackern und Klimpern, als bestünden die Schießeisen aus lauter nur lose zusammengesetzten Teilen. Tatsache ist jedoch, solange an einer Waffe keine Bauteile bewegt beziehungsweise bedient werden, gibt es auch keine Geräusche.

Übrigens: Auch das hüstelnde Peitschen eines Film-Schalldämpfers ist meilenweit vom echten Geräusch eines solchen Aufsatzes entfernt.

2. Perfektes Fernseh-Timing

Jack, schalte mal schnell auf Kanal Neun“ sagt die Protagonistin am Telefon und ihr Gegenüber macht es. Nicht nur, dass der zuvor ausgeschaltete Fernseher direkt auf dem gewünschten Kanal landet, sondern genau in dem Moment beginnt auch der für die Story so wichtige Beitrag – meistens eine Nachrichtenmeldung.

Niemals kommen die Protagonisten in die Verlegenheit, den Anfang zu verpassen (was ja eigentlich der Fall sein müsste, woher sollte der Anrufer sonst wissen, welcher Beitrag als nächstes kommt?) und oftmals kommen sie sogar in den Genuss, dass die Sprecher in ihrem Fernsehen das Wichtigste noch einmal kompakt wiederholen. Sehr schön zu sehen ist das in The Dark Knight.

3. Minutenrausch statt Sekundenschlaf

Die zierliche junge Frau ist gerade damit beschäftigt, einen großen, kräftigen und routiniert wirkenden Mann in einem Match unter den Tisch zu trinken. Wir sehen, dass Marion nicht nur schon einige Gläser intus hat, sondern sich auch schwertut, sich die letzten Drinks einzuverleiben. Nachdem ihr Gegner nach seinem letzten Glas mit glasigen Augen K.O. geht, müsste eigentlich klar sein, dass Marion einen ähnlichen Vollrausch kurz vor der Besinnungslosigkeit erlebt – so zumindest wäre es in der Realität.

Raiders of the Lost Ark: Meeting Marion (1981) [HD]

Im Film passiert jedoch das, was bis heute von den Drehbuchschreibern immer wieder exerziert wird: Marion erhebt sich, wirkt noch etwas fertig, ist jedoch nur Minuten später so perfekt nüchtern, als hätte sie nur Eiswasser getrunken.

Ganz gleich, um welche berauschende Substanz es geht, es ist immer so, obwohl eigentlich direkt nach dem Trinken sogar noch eine mehrstündige Anstiegsphase des Alkoholpegels ansteht. Natürlich gibt es auch am nächsten Morgen nur dann einen Kater, wenn es die Story benötigt. Und auch dieser dauert bestenfalls bis zum nächsten Kaffee.

4. Wer braucht schon Provider – oder Höflichkeit?

Wer in der echten Welt Internet, (Festnetz-)Telefon und TV braucht, der benötigt einen Handyvertrag (oder zumindest eine Prepaid-SIM). Er muss außerdem einen Internetvertrag abschließen, einen fürs Fernsehen und vielleicht auch noch einen für das Festnetztelefon. Zugegeben, mittlerweile gibt es in Form von Triple Play auch die Möglichkeit, diese Dienste zusammengefasst zu erwerben. Dennoch ist aber immer zumindest ein Vertragsabschluss vonnöten – und bis alles freigeschaltet ist, dauert es häufig zumindest einige Stunden, oft aber auch einige Tage.

Rachel (Caren Pistorius) erlebt in "Unhinged - Ausser Kontrolle" den schlimmsten Tag ihres Lebens. Auf dem Bild sitzt sie im Auto und hält ein Klapphandy an ihr rechtes Ohr. Ihr Blick lässt nichts Gutes erahnen.
Direkt lostelefonieren mit dem neuen Handy? In Filmen kein Problem!  © LEONINE Distribution

In Hollywood lacht man darüber. Da kauft der Protagonist ohne Papierkram ein Handy, entnimmt es der Packung und das Gerät ist sofort einsatzbereit. Auch der Fernseher muss nur aufgestellt und angeschlossen werden, selbst wenn der Filmheld gerade erst einzieht – dieselbe Filmmagie sorgt auch dafür, dass das Telefon direkt funktioniert. Bei Sam und Dean Winchester aus Supernatural fahren sogar zahllose Handys im Kofferraum mit, ohne dass deren Prepaid-Karten jemals mangels Aufladung ablaufen.

Dass es in dieser Welt nach dem Drücken der Anruftaste grundsätzlich keine zwei Sekunden dauert, bis abgehoben wird (außer die Szene verlangt, dass niemand da ist, der abheben kann), wirkt da fast nicht mehr erwähnenswert. Und dass bei Telefongesprächen grußlos aufgelegt wird, dürfte ebenso wenig überraschen, wie die Tatsache, dass natürlich jeder Laptop und jedes Tablet sich überall direkt mit dem WLAN verbinden.

5. Heilungsphasen und Nachwirkungen sind etwas für Schwächlinge

Die Peaky Blinders sind ein hervorragendes Beispiel für eine zeitgenössische Produktion, die sich bei der Ausgestaltung sehr viel Mühe gibt, realistisch zu sein – das geht bis in die sonst so vernachlässigten Details wie historisch akkurate Kleidung. Jedoch ist Tommy Shelby, der zentrale Protagonist, auch ein gelungenes Beispiel für filmische Wunderheilungskräfte.

Rama und Andi kämpfen gemeinsam gegen Mad Dog in The Raid
Ein positives Gegenbeispiel: In The Raid haben die Schläge und Tritte sichtbare Auswirkungen auf die Figuren © Koch Films

Im Verlauf der Serie wird Tommy mehrmals ziemlich übel verletzt, hat einmal sogar einen Schädelbruch. Dinge also, die selbst mit der heutigen Medizin Monate bis Jahre der Heilung benötigen und selbst dann oft nicht folgenlos abheilen. Tommy Shelbys Wunden hingegen heilen nicht nur mit einer geradezu Highlander-artigen Geschwindigkeit, sondern es gibt auch keine Komplikationen oder Nachwirkungen, wie man sie eigentlich für den Zeitraum der Serie (sie startet 1919, lange bevor es beispielsweise Antibiotika gab) erwarten könnte.

Allerdings ist diese Serie nur ein Beispiel von vielen. Dass ein Protagonist dauerhaft unter den Folgen von Unfällen, Schusswunden und dergleichen leidet oder zumindest halbwegs realistisch lange ausheilen muss, passiert abermals nur, wenn der Plot es verlangt.

6. Gut gepflegt in der Apokalypse

Besonders „gut“ kann das The Walking Dead.  Die Serie startet einige Tage nach Beginn der Zombie-Apokalypse und erstreckt sich (Season 10) bis zehn Jahre danach (Achtung, Link enthält Spoiler). Doch zumindest die weiblichen Protagonistinnen bleiben davon optisch unbeeindruckt. Sie haben auch weiterhin rasierte Achseln und Beine, gezupfte Augenbrauen und manikürte Nägel, als könnten sie jeden Morgen auf einen prallgefüllten Badezimmerschrank zurückgreifen. Bei den Herren des Weltuntergangs hingegen zeigen sich wenigstens wuchernde Bärte. Atomkriege, Zombies, Naturkatastrophen oder Alien-Invasionen: Hollywood hat eine lange Routine darin, die Menschheit, so wie wir sie kennen, untergehen zu lassen. Doch wo dies heute dank CGI für die Umwelt erschreckend realistische Auswirkungen hat, beschränken sich die menschlichen Folgen allzu häufig auf zerrissene, schmuddelige Kleidung.

Wie aus dem Ei gepellt trotz Apokalypse: Negan und Carl ©Twentieth Century Fox Home

7. Make-Over mit zwei Handgriffen

Dieser Klassiker ist so alt, dass er wohl keine Beschreibung nötig hat: Die schüchterne, als „graue Maus“ dargestellte Protagonistin muss nur ihr zuvor streng zusammengehaltenen Haare öffnen und die Brille ausziehen – schon verwandelt sie sich in ein Supermodel, dem die Herzen zu Füßen liegen. Romantische Komödien wie Eine wie keine greifen gerne auf dieses Klischee gewordene Motiv zurück.

8. Defibrillatoren – Hollywoods Starthilfekabel

Was macht ein Defibrillator? Ganz einfach, er defibrilliert. Für Leser ohne Medizinstudium: Er sorgt durch Stromstöße dafür, dass eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, wie sie beispielsweise durch schwere Traumata auftreten kann, beendet und der normale Herzrhythmus wiederhergestellt wird. Im Klartext also, das Herz bleibt nicht stehen! Wenn das der Fall ist, hilft nur eine Herzdruckmassage.

James Bond - Defibrillator Scene

Vielleicht sollte das jemand Hollywood sagen. Dort wird der Defibrillator praktisch als Universalwerkzeug gegen alle Herzprobleme genutzt – vor allem dann, wenn die Herzkurve nur noch eine Linie ist und die Szene dramatisch werden muss.

Übrigens: Nach einer solchen Wiederbelebung wird man auch nicht direkt wieder wach und ist erst recht nicht wieder wie neu.

9. Der Zweck heiligt wirklich sämtliche Mittel

Dass es für Polizisten Regeln gibt und selbst US-Beamte sich für jeden abgefeuerten Schuss verantworten müssen, ist die Realität. In Hollywood hingegen pflegt man typischerweise einen pragmatischeren Ansatz, der auch in der Serie Lethal Weapon bestens exerziert wird:

Wenn es dem Zwecke dienlich ist, ist es völlig egal, wie viele Gesetze unsere Helden auf dem Weg dorthin brechen. Höchstens meckert ein Polizei-Captain „mir sitzt der Commissioner im Nacken“ oder wird angekündigt „das will ich alles in Ihrem Bericht sehen“. Die Marke abgeben, sich einer Untersuchung oder gar einer Gerichtsverhandlung stellen, müssen sich die „guten“ Cops grundsätzlich nur, wenn die Story es wünscht – meist nur, weil sie hintergangen wurden.

10. Knall ja, Trauma nein

Einer der realistischsten Klassiker des Kriegsfilm-Genres zeigt als Ausnahme von der Regel in aller Deutlichkeit, was Hollywood falsch macht: In Black Hawk Down wird zumindest der Charakter Nelson durch die anhaltende Ballerei praktisch taub.

Black Hawk Down - Nelson goes deaf.

 

Ansonsten haben jedoch weder Schießereien noch Detonationen irgendwelche Auswirkungen. Dabei haben wir es hier mit einem besonders unrealistischen Fall zu tun. Denn schon normale Pistolen sind so laut, dass ein Schuss in geschlossenen Räumen oder einem Auto genügt, um zumindest das der Waffe zugewandte Ohr auf Stunden zu traumatisieren, das nennt sich Knalltrauma. Eigentlich müssten deshalb sämtliche Film-Waffenschwinger bis zu John Wick auf jede an sie gerichtete Frage mit einem „bitte was? Ich verstehe Sie so schlecht“ antworten.

Keanu Reeves als John Wick im Auto mit erhobener Pistole
Der unverwüstliche John Wick – ob er den Knall gehört hat? © Studiocanal Home Entertainment

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