Selten hat Disney+ einen Marvel-Start so „versteckt“ wie Ironheart. Kurz vor knapp kam der erste Trailer und auch die Promo fährt im Schongang. Heißt das automatisch, dass die Serie zum Scheitern verurteilt ist?
Darum geht’s in Ironheart
Ironheart spielt nach den Ereignissen von Black Panther: Wakanda Forever und im Spannungsfeld zwischen Technologie und Magie. Entschlossen, sich einen Namen in der Welt zu machen, kehrt Riri (Dominique Thorne)in ihre Heimatstadt Chicago zurück. Ihr einzigartiges Konzept für die Anfertigung von Kampfanzügen ist brillant, doch bei der Verfolgung ihrer Ziele gerät sie an den mysteriösen und zugleich charmanten Parker Robbins alias „The Hood“ (Anthony Ramos).
Irgendwie jetzt da (?)
Puh, dass dieses Projekt jetzt tatsächlich noch released wird – man mag es kaum glauben. Denn seitdem Ironheart einst zum ersten Mal angekündigt wurde – als Spin-Off nach dem zweiten Black Panther-Film als eine Art Thronerbin von Tony „Iron Man“ Stark -, hat Disney nicht nur einmal seine Roadmaps umgeschrieben, Serien- und Filmprojekte abgesägt, Startdaten durcheinandergewirbelt und mehrfach aktiv Verzweiflung hinter den Kulissen nach außen gestrahlt. Entsprechend war wohl auch diese Serie nun in der Schwebe, wirklich zu wissen, ob die Figur im neuen „alten“ MCU eine Rolle spielen soll und wie groß diese dann wohl ausfallen wird, scheint tatsächlich niemand zu wissen. (Ob man in dieser Frage nach dem Abschluss der Serie schlauer ist, steht auf einem anderen Blatt)

Aber fassen wir doch mal kompakt den Status quo zu Ironheart a.k.a. Riri Williams zum Start der Serie zusammen: Im Jahr 2016 schuf Brian Michael Bendis eine Figur, die eine Art Nachfolgerin im Vermächtnis von Iron Man sein sollte. Im Comic hatten Riri und Tony eine enge Verbindung – sie war eine Studentin am MIT, die aus einem sehr anderen Umfeld als Tony kam, aber ihre Leidenschaft, die Gesellschaft zu verbessern, brachte sie zusammen. Schließlich bekam die Figur ihre eigene Identität als Ironheart, und Autoren wie Eve Ewing griffen diese Idee auf und brachten Riri Williams nach Chicago.
In Wakanda Forever wird sie ins MCU ebenfalls als geniale Studentin eingeführt, die einen Vibranium-Sensor erfunden hat, auf den die Wakandaner dann scharf sind und die junge Erfinderin mit in den Konflikt mit Namor ziehen. Die Wakandaner haben der Macht von Namors Nation Talocan nur wenig entgegenzusetzen und letztendlich opfert Königin Ramonda ihr Leben, um Riri zu retten. Zusammen mit Riri entwickelt Shuri als neue Black Panther einen Plan, Namor zu schwächen und gegen die Talocaner zurückzuschlagen. Und dann gings zurück ins „alte“ Leben, wo nun eben die Serie anknüpft.
Rückblickend kann man eigentlich also sagen: es ist gut zu wissen, was sie in dem Kinoabenteuer schon erlebt hat, aber wirklich notwendig ist die Kenntnis dessen tatsächlich nicht. Das kann man letztlich wohl für alle anderen derzeitigen und früheren Stränge aus dem MCU auch sagen, weshalb man dieses Format komplett autark schauen kann. Ob das von Beginn an so geplant war oder es in anderen Entwicklungsstadien größere Einbettungen gab, sei mal dahingestellt.
(Zu vertraut) im Jahr 2025
Jetzt aber (endlich) zur konkreten Besprechung von Ironheart: Ein weiteres Mal ist eine Franchise-Serie in der Rezeption davon abhängig, a) wie viel die jeweiligen Zuschauer:innen schon aus dem Genre kennen und b) wie hoch die Erwartungen an Originalität und Frische im Jahr 2025 an Serien (!!!) im Comic-Bereich (noch) sind. Ist man richtig tief in der Materie drin, schaut auch weit über den Marvel-Tellerrand hinaus und verfolgt das Geschehen nicht erst seit diesem Jahrzehnt, dann wird einem hier womöglich nun zu viel so verkommen, als hätte man es zum Teil schon 1:1 so bereits gesehen. Dabei sind die referenzierenden Versatzstücke in großen Teilen gar nicht als einfallslose Kopien zu verstehen, sondern eher als Hommagen, wenn beispielsweise Riri mit Schrott herumtüftelt wie einst ihr Vorbild Tony Stark im ersten (und dritten) Iron Man-Teil. Trotzdem fühlen sich diese Reminiszenzen irgendwie unoriginell an.
Auch die Coming-of-Age-Parts erinnern an gleich eine Handvoll der abgedroschensten Marvel-Archetypen in Sachen Charakteraufbau – Peter Parker, Kamala Khan, Miles Morales: alle Helden strugglen zu Beginn mit der Bürde der Fähigkeiten und den ganz normalen Teenager-Issues. Nur weil man es in ein anderes Milieu verpflanzt, wird ein Setting nicht „neu“.
Die Ansätze schimmern durch
Bei all der berechtigten Kritik, hier Altbekanntes in neuem Geschenkpapier nochmal verschenken zu wollen, sprechen jedoch auch einige Elemente dafür, diesem Neustart eine Chance zu geben. Das fängt bei der Tonalität an, die sich doch dann recht stark von Ms. Marvel abgrenzt und wesentlich düsterer ist. Dann kommen ein paar inhaltliche Kniffe hinzu, die aus Spoilergründen nicht ausgiebig dargelegt werden können, aber definitiv mal ein anderer Weg sind, mit inzwischen zu Tode ausgeschlachteten Stilmitteln des MCU zu brechen. Und natürlich sind es dann die erstaunlich vielschichtigen Charaktere, die hier mal wieder im Zwischenraum von Schwarz und Weiß agieren und entsprechend erschweren, als Zuschauer:in klar eine Seite einzunehmen. Insbesondere die Anthony Ramos-Figur „Hood“ und dessen Schauspiel sind für Marvel-Verhältnisse ein qualitatives Ausrufezeichen.

Dann gibt es eine Art Heist-Plot, bei dem die Crew ziemlich spannend zusammengestellt ist – und letztlich die beiden Welten Technik und Magie in Form der Stellvertreter Riri und Parker aufeinanderprallen lässt, was wirklich sehr flott und packend konstruiert wird. Die inneren Konflikte bringt Dominique Thorne sehr überzeugend rüber, wirkt cool und schafft es für das junge Publikum eine greifbare Identifikationsfigur zu spielen.
Ein bisschen irreführend kann letztlich auch der Fokus in der Werbung von Ironheart auf die Produzentenrolle von Ryan Coogler sein. Verständlich, dass man nach dem Erfolg von Sinners den Namen irgendwie mit aufs Plakat packen wollte, aber nach Coogler anfühlen tut sich hier wenig. Wenn überhaupt dann kann man seinen Einfluss am gelungenen Einsatz von R’n’B-Musik vermuten. Denn die Songauswahl ist wirklich stark und im Gegensatz zu vielen anderen Formaten wirkt sie hier nicht aufgezwungen, sondern fügt sich perfekt in die jeweiligen Situationen ein. Wenn beispielsweise Nina Simones „Sinnerman“ oder Alanis Morissettes „Your Oughta Know“ anklingen, dann hat das Sinn und Verstand und verstärkt die jeweiligen Momente um ein Vielfaches!
Und was heißt das nun fürs große Ganze?
Im Verlauf der sechs Folgen stellt sich immer mehr heraus, dass Ironheart auch zu einer ganz anderen Figur bzw. Sub-Filmreihe aus dem MCU eine Brücke schlägt, was man so erstmal nicht erwartet hatte, sich aber auf Basis des Grundkonflikts dann noch logisch ergibt: Plötzlich spielen nämlich, ohne ins Detail zu gehen, auch die in Doctor Strange etablierten Dinge in Bezug auf die magische Komponente des cinematischen Universums eine Rolle. Entsprechend steht diese eigentlich für sich autonome kleine Story dann doch mit einigen Dingen des „großen“ MCU in Verbindung, denn natürlich spielt hier auch Riris Link zu den Wakandanern mit rein und der Schatten von Tony Stark liegt eh über allem.
Umso bezeichnender für die derzeitigen Turbulenzen in den Büros von Kevin Feige und Co. ist, dass man erneut hier mit dem leicht faden Beigeschmack dem Finale beiwohnt, dass die eröffneten Weiterführungen dieser konkreten Erzählung womöglich nie wieder Thema werden, wie beispielsweise bei Moon Knight, Eternals oder einige weiteren Samen, die in Post Credit Szenen ausgesät wurden und inzwischen ausgetrocknet sein dürften…
In diesem Fall wäre es – ohne nun dezidiert auf das Ende und entscheidende Twists von Ironheart einzugehen – besonders ärgerliche, für manch einen Fan vielleicht gar unverzeihlich, führt man doch in der Finalfolge jemanden ein, über dessen Teilhabe innerhalb des MCU wahrscheinlich inzwischen seit einem knappen Jahrzehnt spekuliert wird…
© 2025 Marvel
Unser Fazit zu Ironheart
Ironheart behandelt mehr oder weniger nach Schema F die typischen Themen von aufgehenden Heldenfiguren. Die kosmetischen Variationen der Standardformel sind dabei zwar vielversprechend und überzeugend. In der Gesamtheit ist das aber doch zu wenig, um im Jahr 2025 noch für Furore sorgen zu können. Gute Darsteller, solides Production Value, durch starke Musikuntermalung flottes Erzähltempo und auch die Geschichte ist nicht unspannend - aber diese Miniserie kommt einfach einige Jahre zu spät.
Ironheart startet am 25. Juni 2025 bei Disney+.
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.