From the World of John Wick: Ballerina ist ein Spin-Off der wohl Genre-prägendsten Actionfilm-Reihe des letzten Jahrzehnts. Ist aber die Reihe genauso stark, wenn der Protagonist in die zweite Reihe zurückweicht und Ana de Armas als rächende Ballerina ins Rampenlicht rückt?
Darum geht’s in From the World of John Wick: Ballerina
Nach dem Tod ihrer Eltern wird die junge Tänzerin Eve Macarro (Ana De Armas) vom Continental-Manager Winston (Ian McShane) in die Obhut der Verbrecherorganisation Ruska Roma gegeben. Unter der Aufsicht der strengen Direktorin (Anjelica Huston) wird sie dort zur Auftragskillerin ausgebildet, um sich an den Mördern ihrer Eltern rächen zu können.
Zwischen den Kapiteln
Schon die Trailer machten klar, dass Ballerina keinesfalls nach dem vierten Kapitel von John Wick spielen kann. Vielmehr füllt das Spin-Off nämlich nun die Lücke zwischen Kapitel drei und vier – und ermöglicht damit nochmal ein Wiedersehen mit Figuren, die inzwischen eigentlich tot sind oder zumindest als tot gelten. Das gilt leider auch für Lance Reddick, der 2022 verstorben ist und hier wohl nun seinen allerletzten Auftritt auf der Kinoleinwand haben dürfte. Vorgestellt wurde das Theater mit der Ballettschule, das irgendwie auch ein Teil der Auftragskillerunterwelt ist, ja in einer bemerkenswerten Sequenz im dritten Film der Actionreihe mit Keanu Reeves – und seitdem geisterte auch schon das Spin-Off-Projekte im Produktions-Limbo umher.

Immer wieder marginal verschoben, ist nun endlich der Release gekommen. Auf die chaotische Produktionsgeschichte wird hier nun aber nicht nochmal dezidiert eingegangen werden, das wurde andernorts ausreichend getan. Lediglich kann man nun beim Endprodukt glücklicherweise – und das ist ja durchaus nicht die Regel – wenig davon sehen. Im Großen und Ganzen, wenn man ein sowohl Len Wisemans Arbeiten als auch das, was Chad Stahelski auszeichnet, vor Augen hat, ist es überraschend stimmig, wie gut John Wick-Mastermind Stahelski hier mutmaßlich Last Minute noch seinen Stil wieder eingewoben hat, ohne aber Wisemans Anstrich komplett zu torpedieren. Der Stil ist eine richtig gelungene Mischung aus den etablierten Features der Reihe und ein paar neuen Gimmicks und Ideen.
Female Lead Action Star
Die zentrale Frage jedoch dürfte von Beginn an für viele Actionfans gewesen sein, ob es auch mit dem Franchise-prägenden Helden in einer Nebenrolle klappen kann, den hohen Ansprüchen der Reihe gerecht zu werden oder ob sich diese Geschichte über eine weibliche Rächerin/Kampfamazone eher dort einreiht, wo beispielsweise Filme wie Jolt, Anna, Gunpowder Milkshake, Kate, Kill Boksoon und Co. die vergangenen Jahre schon das Subgenre, das einst von Nikita und Co. mitbegründet wurde, wahlweise geprägt oder verwässert haben.
Und in der Tat gelingt es Ana de Armas hier nahezu nahtlos an ihren Kurzauftritt in No Time to Die anzuknüpfen, der für viele ja schon im letzten Bond-Teil einer der Höhepunkte war: agil und elegant in der Bewegung, wuchtig im Nahkampf und auch im Umgang mit egal welcher Waffe – oder welchem zur Waffe umfunktionierten Gegenstand – glaubwürdig. De Armas ist eine exzellente Wahl, um hier ein eigenes Kapitel im John Wick-Universum aufzuschlagen und auch zu füllen, was letztlich dazu führt, dass sich der überraschend große Auftritt von Keanu Reeves nicht nur leicht überflüßig anfühlt, sondern gar die Rolle von de Armas minimal abwertet, wenn man ihr doch noch den „großen“ Baba Yaga als Babysitter mit aufs Plakat packt…
Starker Auftakt, kaum Luft zum Atmen
Direkt der Einstieg ist gelungen, wenn man – ganz klassisch, wie so vieles in der insgesamt eher zweckdienlichen Story – einen Rückblick in die Kindheit der Protagonistin bekommt, bei dem die spätere Rachemission begründet wird. Dann geht es mit einem Zeitsprung unter die Fittiche der Direktorin der Ruska Roma, gespielt von Anjelica Huston, und dort etwa zwanzig Minuten durch eine gut montierte Ausbildung zur Killerin. Hier werden dann – ganz klassisch, what else?! – die wesentliche Aspekte späterer Fights und Konflikte schon foreshadowed.
Dann geht es auf die erste Mission, um die obligatorische Club-Sequenz anzuhaken, ehe es bei einer weiteren Mission dann dazu kommt, dass Eve auf die Spur des Mörders ihres Vaters gebracht wird, was – ganz klassisch für die von Regeln geflutete Welt von John Wick – den Konflikt mit ihrer eigenen Stammregentin zur Folge hat. Abbringen lässt sich die Protagonistin davon natürlich nicht, sodass wir dann ins nächste starke Setpiece nach Prag kommen, inklusive dem dortigen Continental-Hotel, und abschließend gehts dann zur finalen Konfrontation mit dem Antagonisten (Gabriel Byrne) in ein verstecktes Alpendorf. Zeit zum Luftholen gibt einem Ballerina keine, die ziemlich genau zwei Stunden fühlen sich extrem rasant an und sind genau das, was man insbesondere ab Kapitel 3 der Reihe kennt: Style over Substance in Reinkultur und State of the Art Action!
Essenz des Franchise – wohl nur für Fans ein Fest
Immer wieder gibt es die typischen Momente der Reihe, wobei man hier auch ein ums andere Mal mit Ideen ums Eck kommt, die die berüchtigte Absurdität zum Teil schon krass am Rande zur Parodie ausloten. Wenn in einem Jagdwaffen-Geschäft plötzlich die Geheimtür aufgeht und ein High-Tech-Großkaliber-Lager modernster Art auftaucht, wenn Sätze mit Doppeldeutigkeit und gleichzeitig ohne Aussage ausgetauscht werden und wenn in einem Alpentourismus-Hotspot der Daunenjacken-Jetset sich als Assassinen-Sekte entpuppt, dann hat man als Fan der Reihe eine richtig geile Zeit und hinterfragt hier inzwischen gar nichts mehr.
Ballerina ist kreativ in der Brutalität, manchmal schon richtig blutdurstig-brutal und wäre es nicht so virtuos inszeniert, könnte man abermals die Gewaltverherrlichungsdebatte anstoßen. Granaten im Nahkampf, Schlittschuhe, die wie Schlagringe eingesetzt werden, Flammenwerfen im Duett. Und abermals ist als so schön bebildert, um den grotesken Charakter der Reihe noch zu neuen Höhen zu treiben: Eine Symphonie des Lichteinsatzes, der dynamischen Kameraarbeit und der Wucht in der Kampfchoreografie. Dazu wummern die Bässe nicht nur wegen der hunderten Schüsse aus verschiedensten Waffen, sondern auch wegen der inzwischen genauso ikonischen elektronischen Musik des Franchise

Wie gesagt: zur Story per se braucht man wirklich keine zwei Sätze verwenden, zum Schauspiel hingegen kann man noch festhalten, dass erneut auch kleinere Auftritte mit großer Wirkung und Nachhaltigkeit integriert wurden, wobei hier insbesondere der Kurzauftritt von Norman Reedus zwar gelungen, aber fast schon frech ist. Umbrella Academy-Fans werden sich über den Darsteller von Eves Vater freuen, Dune-Fans über Sharon Duncan-Brewster und auch ein deutscher darf kurz ein Stelldichein in diesem Franchise feiern: Robert Maaser, hat wohl in Blood and Gold derart als Waffen-Freak überzeugt, dass man ihm hier nun die ganz großen Wummen in die Hand drücken wollte.
Eine positive Überraschung in diesem Blockbusterjahr
Die Leserinnen und Leser werden es recht schnell gemerkt haben: Mich hat der neueste Zuwachs zu einem meiner aktuellen Lieblingsfranchises wieder exzellent unterhalten und genau das erfüllt, was ich mir gewünscht habe, aber auf Basis der Trailer gar nicht so stark hätte. Damit gleicht die Überfüllung der Erwartung bei From the World of John Wick: Ballerina aus, was zuletzt ein anderes Action-Franchise versemmelt hat. Während Mission: Impossible -The Final Reckoning mehrheitlich als Enttäuschung rezipiert wird, beweist dieser Action-Blockbuster im Jahr 2025, dass eine geradlinige Story, ein kohärentes World Building und ein Gespür für tolle Action an schönen Orten genügt, um für eine fantastische Zeit im Kino zu sorgen: Stumpf, stylisch, super!
© Leonine Studios
Unsere Kritik zu From the World of John Wick: Ballerina
From the World of John Wick: Ballerina liefert Action der Reihe in der gewohnte Perfektion und beweist zudem, dass eigentlich der Titelheld des Franchise inzwischen obsolet geworden ist. Von Ana de Armas in dieser Rolle hingegen darf gern noch mehr kommen, insofern Chad Stahelski dann von Beginn an wieder das Zepter in der Hand hat.
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.